Parken in der Römerzeit

Trier-Süd · Für viele Bauherren ist es der Horror: Bevor neu gebaut wird, untersuchen Archäologen das Terrain - und werden in üppigem Ausmaß fündig. So geschehen in der Südallee auf dem Gelände des Hotels Deutscher Hof. Beim Familienbetrieb ist man begeistert über die Hinterlassenschaften der Römer und will eine bestens erhaltene Wasserleitung aus dem vierten Jahrhundert in die neue Tiefgarage integrieren.

 Überraschungsfund: Auf dem Gelände des Hotels Deutscher Hof haben Archäologen des Rheinischen Landesmuseums eine antike Wasserleitung ausgegraben. Das Gemäuer aus dem vierten Jahrhundert ist auf einer Länge von 30 Metern erhalten und reicht bis zur Südallee (oberer rechter Bildrand). TV-Fotos (2): Roland Morgen

Überraschungsfund: Auf dem Gelände des Hotels Deutscher Hof haben Archäologen des Rheinischen Landesmuseums eine antike Wasserleitung ausgegraben. Das Gemäuer aus dem vierten Jahrhundert ist auf einer Länge von 30 Metern erhalten und reicht bis zur Südallee (oberer rechter Bildrand). TV-Fotos (2): Roland Morgen

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"

Trier-Süd. Bauen in Triers City kann ganz schön tückisch sein. Weite Teile der Innenstadt sind als Grabungsschutzgebiet ausgewiesen. Bevor Bautrupps anrücken, checken erst einmal Archäologen des Rheinischen Landesmuseums die Lage. In aller Regel auf der auf der Basis eines Investorenvertrags.
Der Bauherr beteiligt sich finanziell an den Grabungskosten und erhält im Gegenzug einen festgeschriebenen Termin, an dem die Wissenschaftler das Feld geräumt haben.
Bis 1962 Gerberei-Standort


So ist es auch im Fall des Hotels Deutscher Hof gelaufen. Der 100-Zimmer-Betrieb an der Südallee expandiert und braucht mehr Stellplätze. Die sollen entstehen in einer eingeschossigen, rund 1,5 Millionen Euro kostenden Tiefgarage unter der bisher als Parkplatz genutzten großen Freifläche des Hotelgeländes. Da aber just dort bis 1962 die Ledergerberei Pies stand, rechneten die Landesmuseums-Experten wohl nicht mit spektakulären Hinterlassenschaften. Die Grabungszeit kalkulierten sie mit lediglich vier Monaten, und das im Herbst und Winter, wo Dauerregen oder Frostperioden schnell einen Strich durch die Rechnung machen und lange Zwangspausen verursachen können.
Doch tatsächlich macht nun eine überaus üppige Fundsituation zu schaffen. Lediglich im hinteren Teil (Richtung Gilbertstraße) waren beim Bau der Gerberei römische Kulturschichten zerstört worden. Doch vorn, zur Südallee und zum Forum, dem Zentrum der römischen Stadt hin, präsentiert sich derzeit eine wahre Fundgrube. Zu erkennen sind vom Bauzaun aus unterschiedliche Niveaus einer römischen Nord-Süd-Hauptstraße, Pfeilerfundamente - und mittendrin eine gemauerte Wasserleitung. Was die Archäologen noch nicht offiziell sagen wollen und stattdessen auf einen Vor-Ort-Pressetermin am heutigen Donnerstag verweisen, bestätigt Hotelchefin Andrea Weber: "Die Leitung stammt aus dem vierten Jahrhundert. Sie ist 1,10 m hoch und 60 Zentimeter breit und führt bis zur Südallee." Also über die Grundstücksgrenze des Deutschen Hofs hinaus. Dass unterhalb der Straße plötzlich Schluss ist mit der bestens erhaltenen Leitung, ist klar. Sie wurde spätestens beim Bau der mittelalterlichen Stadtmauer (in der heutigen Südallee) gekappt, der ein tiefer Verteidigungsgraben vorgelagert war.
Offenbar ist noch nicht definitiv geklärt, ob es sich um eine Leitung für Frisch- oder für Abwasser handelt. Dennoch ist Andrea Weber "hochgradig begeistert" über die bestens erhaltenen Hinterlassenschaften aus römischen Glanzzeiten. Im vierten Jahrhundert residierten römische Kaiser in Trier und regierten den Westteil des Imperiums, der von Schottland bis mach Gibraltar reichte. Für die 57-Jährige ist klar: "Wir wollen die Wasserleitung erhalten und sie in den Tiefgaragenbau integrieren", sprich: mit dem Segen der (Landes-) Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) zugänglich machen.
Für Trier eine rare Ausnahme. Üblicherweise hinterlassen tief gründende Neubauprojekte "archäologische Wüste". Im Falle des Deutschen Hofs sollen aber auch die bis zu 2000 Jahre alten unteren römischen Straßenschichten im Boden bleiben.
Andrea Weber, IHK-Vizepräsidentin und immer in vorderster Linie mit dabei, wenn es um Tourismusstrategien für Trier geht, sieht sich mit ihrem Faible für die Stadthistorie in guter Gesellschaft. Aus dem bereits zum Abtransport auf die Schutthalde aufgehäuften Aushub hat sie Fragmente römischer Dach- und Mauerziegel herausgefischt, in Klarsichtfolie verpackt und sie Hotelgästen aus Triers texanischer Partnerstadt Fort Worth zum Abschied geschenkt: "Die waren hin und weg. Sie konnten gar nicht fassen, wie bei uns normalerweise mit solchen zugegebenermaßen im Überfluss vorhandenen Bruchstücken umgegangen wird."
Weitere Grabung geplant

 Viel zu schade für die Schutthalde findet Hotelchefin Andrea Weber die römischen Ziegelfragmente, die bei den archäologischen Ausgrabungen auf dem Gelände des Deutschen Hofs zuhauf zum Vorschein kommen. Sie beschenkt Gäste damit.

Viel zu schade für die Schutthalde findet Hotelchefin Andrea Weber die römischen Ziegelfragmente, die bei den archäologischen Ausgrabungen auf dem Gelände des Deutschen Hofs zuhauf zum Vorschein kommen. Sie beschenkt Gäste damit.

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"


Noch bis zum 10. Februar soll die Grabungskampagne des Landesmuseums dauern. Daran hat sich das Hotelunternehmen mit einem "mittleren fünfstelligen Euro-Betrag" beteiligt. Dafür werden die Archäologen im Januar wohl auch einige Wochenendeinsätze auf dem Grabungsterrain haben. Andrea Weber plant, Seminare anzubieten, deren Teilnehmer unter Leitung der Experten die Grube betreten dürfen. Das Interesse sei schon im Vorfeld "erfreulich groß".
Wissenschaftlich hochinteressant dürfte es weiter gehen auf dem Hotelareal. 2017/18 stehen am anderen Ende an der Saarstraße (neben Holzland Leyendecker) erneut Tiefbauarbeiten auf dem Programm. Im Vorfeld ist wieder das Landesmuseum am Zug. Diesmal, so heißt es, wurde vorsorglich eine Grabungszeit von sechs Monaten vereinbart.

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