"Politiker müssen Kopf und Kragen riskieren"

TRIER. Verödete Zentren, unattraktive Städte, übermächtige Investoren: Wege aus der Krise des Städtebaus zeigte der Maastrichter Stadtplaner Hans Hoorn in Trier auf.

"Wir brauchen Politiker, die Kopf und Kragen riskieren." Ob er nun über Stadtplanung spricht oder das Tablett mit den beiden Kaffeetassen durchs Café des berühmten Bonnifantenmuseums seiner Heimatstadt Maastricht trägt, von Hans Hoorn geht Freiheit aus. Die Freiheit der klaren Sprache, der Gedanken und der Visionen verkörpert der hoch gewachsene Niederländer, eben jene Tugenden, auf die man seit jeher im Land stolz ist. "Bei uns hat niemand Angst, seine Meinung offen zu sagen", bestätigt Hoorn, und er schon gar nicht. Der Stadtplaner und promovierte Soziologe ist einer der profiliertesten Vertreter seines Fachs und weltweit ein geschätzter Referent, wenn es um Stadtentwicklung geht. Wie die gelingt, darüber hat er klare Vorstellungen: Unkonventionelle Entscheidungen, Nachhaltigkeit und Konsequenz seien gefragt. Und schon gar nicht gehe es an, dass Politiker und Investoren im Hinterzimmer "einen Deal" machten, den dann die Stadtverwaltung zu bearbeiten habe. Bis Ende 2005 hat Hoorn das Stadtentwicklungsamt von Maastricht geleitet, von 1988 bis 2004 war er dort zudem Vorsitzender der Stadtgestaltung- und Denkmalschutzkommission. Der Chefplaner im Un-Ruhestand ist überdies Mitglied und Preisträger der Maastrichter Akademie für Baukunst. "Unsere Stadt" sagt Hans Hoorn wenn er von seiner Heimatstadt spricht, die mit ihren 120 000 Einwohnern kaum größer als Trier ist. Denn eins ist klar: "Die Stadt gehört allen, und nicht nur den finanzkräftigen Investoren". Anders als vielerorts in Deutschland - so Hoorn - habe man in den Niederlanden ein Gefühl dafür, dass Baukultur ein Gemeingut ist, für dessen Qualität alle verantwortlich sind. Im Fall Maastricht scheint das zu funktionieren. Unter Hoorns Regie ist aus der vor sich hindümpelnden Stadt an der Maas - trotz hoher Arbeitslosigkeit - eine lebhafte "City-to-stop" geworden, die alljährlich 14 Millionen Besucher empfängt und die bedeutendste Antiquitätenmesse der Welt präsentiert. Nur mit "Wir-Gefühl" ging es freilich auch dort nicht. "Eine Stadt braucht neben einer stabilen Politik auch ein starkes Stadtentwicklungsamt, in dessen Qualität Bürger und Politiker Vertrauen haben". Dessen Mitarbeitern verlangt Hoorn Kreativität und kompromisslose Standfestigkeit ab: "Fast gut ist keine städtebauliche Alternative". Und natürlich müssten die Städte ihre Identität erkennen. "Inspirieren statt kopieren" lautet seine Devise. Mangelndes Verständnis, wenn es um Baukultur geht, attestiert Hoorn vielen deutschen Politikern: "Die meisten glauben, über Städtebau alles zu wissen, dabei sind die wenigsten Fachleute." Oft bleibe der Wille, kompetenten Rat einzuholen, ein Lippenbekenntnis. Bei aller Freiheit: Öffentliches Interesse geht in den Niederlanden beim Bau vor privatem. "Eine Baufreiheit wie in Deutschland kennen wir nicht. Niederländische Städte haben Stadtgestaltungskommissionen, denen per Gesetz jeder größere private oder öffentliche Bau vorgelegt werden muss, damit er auf seine architektonische Qualität geprüft werden kann". In den meisten Fällen funktioniere das. Und noch eins hält der Mann, der sich als Chefstadtplaner wie ein Regisseur fühlte, neben einem qualitätvollen Masterplan für wichtig, wenn es um gelungene Stadtentwicklung geht: "Die niederländischen Städte haben kaum Schulden." Hans Hoorn spricht anlässlich der Sitzung des Architektur- und Städtebaurats Trier am 16. November um 20 Uhr im Foyer der FH Trier, Standort Irminenfreihof. Die Sitzung des Architektur- und Städtebaubeirates Trier ist am 16. und 17. November; der öffentliche Teil am 17. November ab 11.30 Uhr im Rathaus, Verwaltungsgebäude I, Am Augustinerhof.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort