Polizeichef: Umfeld muss früher einschreiten

"Gewalt ist männlich." Das ist eine Tatsache. 80 Prozent aller Straftaten im häuslichen Bereich verüben Männer. Das Leidensspektrum ihrer Opfer reicht von Hunger, Durst, Erniedrigung, Eingesperrtsein über Schmerzen bis hin zum Äußersten der Gewalt, der Tötung. Formen dieser Brutalität erleben nicht wenige Frauen in ihrer Partnerschaft.

Trier. "40 Prozent der Frauen hier im Saal müssten laut Statistik Gewalt seit ihrem 16. Lebensjahr erfahren haben. Meist von ihrem Partner oder Ex-Partner im häuslichen Umfeld." Das machte Oberbürgermeister Klaus Jensen zur Eröffnung der Tagung über Gewalt in engen sozialen Beziehungen in der Katholischen Akademie deutlich. Gewalt soll Macht über die Partnerin sichern

Ziel der Tagung von Stadt und Polizei, zu der gestern etwa 200 Zuhörer erschienen waren, sei es, auf die Problematik aufmerksam zu machen und zu zeigen, "dass Gewaltprävention bitter notwendig ist", so Jensen. Präventiv will auch die Täter-Beratungsstelle "Kontra häusliche Gewalt" wirken. Derzeit treffen sich dort regelmäßig sechs männliche Täter zu Gruppengesprächen. Sie haben sich selbst dorthin begeben, oder das Gericht hat ihre Teilnahme angeordnet. In der Beratungsstelle, die Pro Familia angegliedert ist, sollen gewalttätige Männer andere Konfliktlösungen lernen, Verantwortung für ihre Taten übernehmen und sich in ihr Opfer einfühlen. Oberstes Ziel ist das Ende der Gewalt. Notfallpläne werden erarbeitet, auf die Täter zurückgreifen können, wenn sie merken, dass sie die Kontrolle über sich zu verlieren drohen. Häufige Ursache der Gewalt sei der Wille, "die Macht über die Partnerin zu sichern", wenn das männliche Image bedroht scheint, versucht Michael Charles von Pro Familia zu erklären.Neben der Prävention besitzt der Opferschutz oberste Priorität für alle Tagungsteilnehmer. Um diesen zu optimieren, müsste darauf verzichtet werden, dass hierzulande bei Polizeieinsätzen die Daten des Opfers nur mit dessen Einverständnis an die Interventionsstelle weitergegeben werden dürften, forderte Polizeidirektor Jürgen Schmitt. Das sei in Luxemburg anders, betonten die anwesenden Vertreterinnen von dortigen Frauenhäusern, Interventions- und Beratungsstelle. Auch das Frühwarnsystem sei verbesserungswürdig, sagte Schmitt. Er mahnte die Notwendigkeit von Fallkonferenzen mit allen beteiligten Stellen an. Astrid Pößiger von der Interventionsstelle lobte die Zusammenarbeit mit der Polizei, deren Ansatz sich geändert hat. "Statt nur zu schlichten, stehen Hilfe leisten, schützen und ermitteln im Fokus." Der Appell des Polizeipräsidenten Manfred Bitter an die Öffentlichkeit: "Nachbarn, Verwandte und Freunde müssen früher einschreiten." Am Ende blieb der Wunsch nach weiteren Treffen. EXTRA Zahlen: 45 000 Frauen und Kinder suchen jedes Jahr eines der 400 Frauenhäuser in Deutschland auf. 1,4 Millionen Jungen und Mädchen sind Opfer von Gewalt. 70 Prozent der im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Trier verübten Straftaten in engen sozialen Beziehungen sind Körperverletzungsdelikte. Täter sind zu 80 Prozent Männer. Ihre Opfer sind zu 80 Prozent Frauen. 86 Prozent der Taten gehen auf das Konto des Partners oder Ex-Partners. Zehn Prozent der Opfer von Straftaten in der Statistik des Polizeipräsidiums Trier sind Kinder. Zwei Drittel sind Opfer von sexuellem Missbrauch. Telefon-Nummern : Polizei-Notruf: 110 Interventionsstelle Trier: 0651/ 9948774, Frauenhaus Trier: 0651/ 49511, Jugendamt Trier: 0651/7180

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