Professor Schröer

Triers Alt-OB Helmut Schröer ist unter die Hochschullehrer gegangen. An der Uni Trier bringt er angehenden Volkswirten die "Praxis der Kommunalwirtschaft" nah. Die Annäherung von wissenschaftlicher Lehre, politischer Praxis und studentischem Wissensdurst ist ein komplizierter Prozess.

Trier. Ortstermin an der Uni Trier am Dienstag, 14.15 Uhr, im Raum C-502. Mit schickem Blick auf den Petrisberg, sozusagen einen authentischen Tatort, eröffnet Helmut Schröer sein erstes Hochschul-Seminar. Es geht um die Stadt und das Geld, "Übersicht und Einführung" steht für diesen Mittag auf der Tagesordnung. Unaufhörlich tanzt der Alt-OB den Schröer-Shuffle, zwei Schritte nach links, zwei nach rechts, einen vor, drei zurück. Wäre da ein Rasen rund um das Pult, er sähe so niedergetreten aus wie der Torraum in einem Fußballstadion nach einem langen, trockenen Sommer. In sorgfältiger didaktischer Gliederung geht ein Regen von Fachbegriffen rund um Doppik, Kameralistik und Konnexitätsprinzip auf die 20 Studenten nieder, die sich eingeschrieben haben, um einen VWL-Schein zu erwerben.Eine gewisse Neigung, die Welt zu erklären, konnte Helmut Schröer auch in seiner OB-Zeit nie ganz verleugnen. Eigentlich wollte er an der Uni eine Vorlesung halten, quasi eine Serie von Neujahrsansprachen vor modifiziertem Zielpublikum. Aber man hat ihn gebeten, ein Seminar zu übernehmen. Und nun ähnelt die Situation eher einer Steuerungsausschuss-Sitzung, nur dass hier keine renitenten Fraktionssprecher den Dozenten unterbrechen. Im Gegenteil: Schröer muss um jede Intervention des studentischen Publikums förmlich betteln. Das könnte damit zusammenhängen, dass der Wissensstand zwischen Referent und Publikum noch weit dramatischer auseinanderklafft als in handelsüblichen kommunalen Veranstaltungen. Oswald von Nell-Breuning? Nie gehört

Das merkt Helmut Schröer spätestens, als er nach dem "berühmten Trierer" fragt, der als Erfinder des Subsidiaritätsprinzips gilt. Schweigen im Walde. Naiv-optimistischer Nachsatz: Er sei auch unter dem Begriff "Nestor der katholischen Soziallehre" bekannt. Die angehenden Sozialwissenschaftler wirken noch verwirrter. "Oswald von Nell-Breuning, den kennen Sie doch sicher". Die Mienen im Saal wirken so, als habe Günter Jauch bei der 125 000-Euro-Frage nach der Bezeichnung für eine polynesische Abart der Feuer-Unke gefragt. Aber Schröer hat nicht umsonst Berufsschul-Lehrer gelernt. Er stellt sich prompt auf den herrschenden Informationsstand ein. Als er Roman Herzog zitiert, weist er darauf hin, dass es sich bei selbigem um einen früheren Bundespräsidenten handele. Falls es als Provokation gedacht war, wird es nicht als solche wahrgenommen. So wenig wie bei der Erläuterung, dass es sich bei ÖPNV um öffentlichen Personennahverkehr handelt. Ansonsten aber unterrichtet "Professor" Schröer unverdrossen weiter. So manches bewährte Versatzstück aus alten Haushaltsreden hat er recycelt, so wie das eiserne Gesetz der Kommunalfinanzen: "Entweder es ist Geld da oder es ist kein Geld da. Meistens ist keins da." Sein Vortrag ist plastisch, manchmal auch drastisch. Die Grenzen kommunaler Kompetenz erläutert er damit, dass eine Stadt wie Trier zwar Bebauungspläne verabschieden, nicht aber Luxemburg den Krieg erklären dürfe. Die Nachricht kommt an und wird kollektiv abgenickt. Diskussionen zu provozieren, das gelingt Schröer selbst beim Reizthema Zweitwohnsitzsteuer nicht. "Sie müssen sich wehren, wenn Sie anderer Meinung sind", ruft er herausfordend und stemmt die Arme in die Hüften. Aber die Reaktion bleibt aus. Vielleicht sind die Studenten auch einfach geschockt, dass der alte Polit-Profi sie schon beim zweiten Treffen alle mit ihrem Namen anspricht - und bisweilen auch noch die Herkunftsregion hinzufügt. Auf einen solchen Status persönlicher Bekanntschaft bringen es manche Professoren auch nach Jahren nicht.

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