Prozess um tödliches Baumunglück: Mitarbeiter der Stadt wehrt sich gegen Schuldspruch

Trier · "Es tut mir so furchtbar leid." Mit diesen Worten beginnt der 54-jährige Gärtnermeister seine Aussage. Er wehrt sich vor Gericht gegen die Verurteilung aus erster Instanz.

 Am 22. November 2012 fällt eine Kastanie im Rautenstrauchpark um. Der Stamm begräbt zwei Menschen unter sich. Eine 70-Jährige wird getötet, ein 60-Jähriger sehr schwer verletzt. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Am 22. November 2012 fällt eine Kastanie im Rautenstrauchpark um. Der Stamm begräbt zwei Menschen unter sich. Eine 70-Jährige wird getötet, ein 60-Jähriger sehr schwer verletzt. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Vieles hat sich geändert, seit das Amtsgericht Trier den Mitarbeiter der Stadtverwaltung im November 2013 wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 4800 Euro verurteilt hat. "Seitdem mache ich keine eingehenden Untersuchungen auffälliger Bäume mehr", sagt der Gärtnermeister am Mittwoch vor dem Landgericht Trier, das über seine Berufung gegen das Urteil aus erster Instanz entscheiden wird. Auch die Leitung der Arbeitskolonne habe der Amtsleiter ihm abgenommen. "Aus Fürsorge." Doch er ist weiterhin Beschäftigter der Stadtverwaltung Trier und arbeitet in der Baumpflege.
"Ich bedaure das Leid der betroffenen Familien mehr, als ich sagen kann", betont der Mann auf der Anklagebank. Dennoch will er kämpfen - gegen die Verurteilung des Amtsgerichts und auch gegen den Vorwurf der Hauptschuld am Tod einer 70-jährigen Triererin und an den schweren Verletzungen eines 60-jährigen Juristen. Ein fallender Baum hat beide Fußgänger im November 2012 in der Rautenstrauchstraße unter sich begraben.
Dieser Kampf wird nicht leicht - das macht Peter Egnolff, der Vorsitzende Richter in der Berufungsverhandlung, in der zweistündigen Befragung des Gärtnermeisters am Mittwoch unmissverständlich klar. Egnolff führt den Angeklagten detailliert durch die Vorgeschichte des tragischen Unglücks vom November 2012. Mehrmals ringt der von seinem Verteidiger Roderich Schmitz unterstützte 54-Jährige um Fassung. Mit einem gewaltigen Aufwand an Energie beantwortet er jede Frage.
Am 23. Juli 2012, vier Monate vor dem tödlichen Unfall, haben die dem angeklagten Gärtnermeister unterstellten Mitarbeiter - die Kolonne - die Bäume im Rautenstrauchpark überprüft. Dieses klare Ergebnis der Beweisaufnahme aus erster Instanz stellt auch in der Berufungsverhandlung niemand infrage. Der Vorarbeiter der Kolonne habe ihn über Auffälligkeiten der Kastanie informiert, räumt der Gärtnermeister ein. "Ich habe daraufhin den Baum zur Zweitkontrolle notiert." Notizen dieser Art habe er in einer Mappe gesammelt. "Darin waren zu dem Zeitpunkt mehr als 100 Bäume für eine eingehende Kontrolle vorgemerkt." Mit leiser Stimme fährt er fort: "Ich habe damals nicht die zwingende Erforderlichkeit gesehen, diesen Baum zur Priorität zu machen und sofort zu kontrollieren."
Die Frage, ob der Angeklagte diese Priorität hätte sehen können und sogar müssen, wird die Basis des Prozesses bilden. Seiner Darstellung und Überzeugung nach habe er auf der Basis der ihm vorliegenden Informationen und zur Verfügung stehenden Strukturen die drohende Gefahr nicht erkennen können. "Das sind Entscheidungen, die ich jeden Tag an jedem Baum treffen muss", sagt er vor Gericht. "Auf klar sichtbare Defekte haben wir immer sofort reagiert, aber in diesem Fall habe ich die Gefahr nicht gesehen und nicht erkannt, dass ich den Baum sofort hätte nachkontrollieren müssen." Ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten soll diese Sichtweise im weiteren Verlauf des Prozesses belegen.
Fünf weitere Verhandlungstage sind geplant, der letzte am 29. Oktober.Extra

Der Sachverständige Martin Pfeiffer hat mit Sicherheit schon angenehmere Prozesse erlebt. Der Gärtnermeister, einer der beiden Gutachter in der Berufungsverhandlung, hat eine Vertagung verursacht, weil er am Montag nicht vor dem Landgericht erschienen ist (der TV berichtete). "Ich möchte wissen, warum das so war", sagte gestern der Vorsitzende Richter Peter Egnolff. Peiffer erklärte: "Ich bin seit 22 Jahren Sachverständiger und kenne es so, dass ich nicht den gesamten Prozess über dabei bin, sondern bei Bedarf gerufen werde." Es sei sein Fehler gewesen, die Lage nicht telefonisch zu klären. Der Richter war unzufrieden. "Ein Ordnungsgeld und eine Verurteilung zum Tragen der Mehrkosten bleiben vorbehalten", gab er zu Protokoll.

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