Römer aus Leidenschaft

Geschichte begeistert - besonders, wenn sie so lebendig ist wie bei "Brot und Spiele". So viele Menschen wie noch nie haben sich das Römerspektakel angesehen.

Trier. 15 000 Ringe hat ein römisches Kettenhemd. 50 bis 60 Stunden braucht der Mann, um Ring an Ring zu fügen, bis es endlich fertig ist. "Aber mehr als eine Stunde am Tag geht nicht", sagt er. Denn dann tun ihm die Finger weh. Dass so ein Hemd acht Kilo wiegt, und acht Kilo schwer sind, können Besucher am eigenen Leib erfahren. Denn gleich am Nachbarstand wird anprobiert. Hemd an, Helm auf - und schon haben Eltern ein strahlendes Kind.Mal selbst in der Rüstung zu stecken, das hat auch Matthias Ehmer begeistert. Mit seinem Vater ist der Junge extra für Brot und Spiele aus Kassel angereist. Seine Augen leuchten, während er von den Pferdekämpfen und den Exerzierübungen spricht, die er im Palastgarten verfolgt hat. Er ist verrückt nach Römern. Ihretwegen besucht er das einzige Kasseler Gymnasium, in dem Latein als erste Fremdsprache unterrichtet wird.

Mag das auch die Ausnahme sein - Geschichte begeistert. Besonders, wenn sie so gegenwärtig ist, wie in Trier. Besonders wenn man sie so unmittelbar selbst erleben kann, wie bei "Brot und Spiele".

Die Sonne scheint. Dass sie das beim Römerspektakel zuletzt getan hat, ist vier Jahre her. Die Besucherzahlen sprengen denn auch alle Rekorde. 23 500, so viele wie noch nie, kamen, um in Trier das zu erleben, wofür es weltweit bekannt ist: römische Geschichte.

Die meisten Menschen, die über die Palästra der Kaiserthermen schlendern, sind nicht nur gekommen, um Bratwurst einmal anders zu essen. Sie sind ernsthaft neugierig. Sie wollen wissen, wie Lehmöfen gebaut werden, Enterbrücken funktionieren, welchen Helmtyp die Römer wann getragen haben, wie man auf Schiefertäfelchen schreibt und ob Moretum lecker schmeckt. Und sie erfahren es. Mehr noch, sie dürfen vieles selbst ausprobieren. Über und über mit Mehl bestaubt, freut sich der dreijährige Quentin aus Sankt Wendel herauszufinden, dass Mehl mahlen damals sehr anstrengend war. Gleich nebenan bestaunen Gleichaltrige, wie zwei Römer einen mächtigen Steinquader zersägen. Andere Kinder filzen, töpfern oder treiben das Rad des Drechseltisches an. Großer Andrang herrscht auch rund um die Sau. Alle wollen sie erschießen. Eine Römerin erklärt, wie Pfeil und Bogen zu halten sind. Glückliche Kinder, wohin das Auge schaut.

Vielleicht hätte Matthias Ströhers Laufbahn ähnlich begonnen, wenn es so etwas wie Brot und Spiele damals schon gegeben hätte. Er ist einer der prachtvoll gerüsteten Legionäre - und er musste sich als Kind noch mit Römer-Playmobil und Fachbüchern begnügen. Die Faszination war dennoch so groß, dass er nun selbst ein Römer ist. Ein kleiner Junge bleibt beim Anblick des Legionärs stehen. Bewundernd schweift sein Blick über die glänzende Rüstung. Das ist etwas anderes als Fachliteratur. Bei Brot und Spiele wird Geschichte leicht zur Leidenschaft.

Meinung

Zu Recht ein Erfolg

Trier hat unschätzbare Schätze. Mindestens ebenso unschätzbar ist, dass man das zu schätzen weiß. "Brot und Spiele" ist dafür ein gutes Beispiel und völlig zu Recht ein riesiger Erfolg. Nicht nur, weil es Touristen aus ganz Deutschland veranlasst, ihr Geld nach Trier zu bringen und die Stadt noch bekannter zu machen. Denn "Brot und Spiele" ist weit mehr als eine geldbringende Touristenattraktion. Auch die Trierer strömen hin. Auch sie erfreuen sich an der Liebe zum Detail, mit der römische Geschichte hier zum Leben erweckt wird - an Orten, wo sonst nur Touristen hingehen - und lernen die Schätze ihrer Stadt dabei neu kennen. k.hammermann@volksfreund.de

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