Rückkehr zum Ausgangspunkt der Flucht

Während des Dritten Reiches war die Jüdin Marion Cassirer von Trier nach Holland und Amerika geflüchtet und besuchte nun, gut 60 Jahre später, in Trier den "Stolperstein", ein Mahnmal zu Ehren ihres ermordeten Vaters.

Trier. (anc) Der jüdischen Emigrantin Marion Cassirer lag sehr am Herzen, der jungen Generation von ihrer Kindheit zu erzählen. "Wie ein Tier bin ich geflüchtet"

"Ich hatte mir geschworen, nie wieder nach Deutschland zu kommen. Durch das ,Projekt Stolpersteine" wurde ich aber doch motiviert. Wie ein Tier bin ich damals aus der Stadt geflüchtet, und als Mensch werde ich heute empfangen!" Das Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig wird in Trier vom Kulturverein Kürenz und der AG Frieden organisiert - der Historiker Thomas Schnitzler recherchiert die Opferbiografien. Die im Straßenpflaster eingelassenen Steinquader mit den Angaben der Opfer dienen als Mahnmale zur Erinnerung an deportierte und ermordete Juden. Angehörige aus Kanada sind nun nach Trier gereist, um diese zu besuchen. Doch Marion Cassirer möchte noch mehr: "In Trier bei Tante Betty begann meine Flucht, und hier endet sie heute. Davon sollt ihr erfahren." Die Schülerinnen und Schüler der Stufe 12 des Auguste-Viktoria-Gymnasiums sind zunehmend gefesselt von dem, was sie zu berichten hat - der anfängliche Geräuschpegel sinkt stetig. Die emigrierte Jüdin lebt heute in Kanada, doch bis sie dort ankam, hatte sie einen schmerzvollen Weg der Flucht hinter sich, auf dem sie ihren Vater verlor, von der Mutter getrennt wurde und sich mit knapp sechs Jahren in Holland wiederfand. Diverse glückliche Zufälle und Menschen aus dem Untergrund sorgten dafür, dass sie nun vor den Schülern stehen und erzählen kann. Die Jugendlichen wollen von ihr wissen, welches Land sie denn als ihre Heimat betrachte oder was sie von den Stolpersteinen überhaupt halte.Betroffenheit nach dem Vortrag

Die Schüler des Geschichtslehrers Hanno Verbeek übernahmen eigene Stolperstein-Patenschaften und sind nach dem Vortrag betroffen: "Ich hatte bei ihrem Appell Tränen in den Augen", sagt die 18-jährige Anne Barbian. Ihren eindringlich geäußerten Appell, "Niemals wieder", verbindet Marion Cassirer jedoch auch mit einem Dank an die junge Generation: "Mich berührt die Tatsache, dass heute junge Deutsche keine Angst haben, Juden zu ehren."

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