Raus aus der Trierer Innenstadt!

Trier/Konz/Igel · Es sind nur sechs Kilometer Straße, aber sie sollen 60 Millionen Euro kosten und den Verkehr im Trierer Tal spürbar verringern. Der Moselaufstieg ist das älteste und umstrittenste Megaprojekt in der Region Trier - und zurzeit stehen seine Signale auf Grün.

Raus aus der Trierer Innenstadt!
Foto: Friedemann Vetter

Trier/Konz/Igel. Der Moselaufstieg hat etwas Surreales. Als sei er eine Volkssage, ein Mythos, so wie der Berggeist Rübezahl im Siebengebirge. Den hat auch noch nie jemand gesehen, aber dennoch redet man seit langer Zeit über ihn. Der in den 80ern als Idee geborene Moselaufstieg hat schon Generationen von Politikern, Autofahrern, Umweltschützern und erbosten Anwohnern beschäftigt. Für viele ist er die zentrale Antwort auf die Frage, wie man die tägliche Flut von Pendlern und LKW aus dem Trierer Tal herausbekommen soll.

Was ist der Moselaufstieg? Dieser Begriff steht für eine direkte Verbindung der B 51 bei Konz mit der A 64 im Norden. Unsere Grafik zeigt die geplante Trasse. Diese Verbindung soll über eine neue Moselbrücke bei Konz zwischen Igel und Trier-Zewen westlich des Stadtzentrums verlaufen. Der Moselaufstieg wird deshalb auch als Westumfahrung bezeichnet. Er soll inklusive der Brücke 60 Millionen Euro kosten.

Was soll er bewirken? Die Theorie der Planer stellt in Aussicht, dass der Pendel-, Last- und Lieferverkehr aus dem Saartal direkt über den Moselaufstieg zur A 64 und zurückfließen kann, ohne sich wie bisher mühsam durch das Trierer Stadtgebiet quälen zu müssen. Die B 51 spielt eine zentrale Rolle in dieser Theorie. Sie führt vom saarländischen Oberzentrum Saarbrücken über die Mittelzentren Saarlouis, Merzig und Saarburg zum Oberzentrum Trier. Dort bleibt der Verkehr quasi in der Innenstadt hängen und quält sich durch Trier, bis er dann auf der anderen Moselseite den Berg hinauf in Richtung Bitburg weiterfließt.

So werden die engen Straßen der Stadt Trier zur einzigen Verbindung der von Süden kommenden B 51 mit der nördlich der Mosel verlaufenden Bundesstraße 49 und der Autobahn 64 nach Luxemburg. Der Moselaufstieg soll diesem gesamten Liefer- und Pendelverkehr eine westlich der Trierer Innenstadt direkt nach Norden verlaufende Verbindung mit der A 64 anbieten.

Wie ändert sich der Verkehr? Eine Studie des Landesbetriebs Mobilität (LBM) sagt voraus, dass nach dem Bau des Moselaufstiegs bis zu 20 000 Fahrzeuge pro Tag über die neue Trasse im Westen Triers fahren und nicht mehr über die Uferstraßen oder alternativ über die Kölner, Bonner und Aachener Straße rollen. Die Ingenieurgruppe IVV Aachen sprach in einer Studie 2013 sogar von 22 000 Fahrzeugen pro Tag.

Der Moselaufstieg würde nach Ansicht der Planer 7,18 Millionen gefahrene Kilometer und 1,35 Millionen Fahrstunden pro Jahr im Personenverkehr sparen. Im Lieferverkehr wären es 1,11 Millionen Kilometer und 160 000 Fahrstunden.
Die Planer räumen jedoch auch ein, dass der Moselaufstieg nur den typischen Durchgangsverkehr entlasten wird. Der Binnenverkehr innerhalb Triers und der Zielverkehr von außen in die Innenstadt, beide um ein Vielfaches größer als der Durchgangsverkehr, werden davon kaum berührt. So steht die mögliche Entlastung von 20 000 Fahrzeugen pro Tag der auch nach dem Bau des Moselaufstiegs weiterhin akuten Belastung von rund 200 000 PKW und LKW pro Tag gegenüber.

Warum ist er nicht schon längst gebaut? Ein Straßenbauprojekt dieser Größenordnung ist ohne politischen Rückhalt vom Stadt- und Kreistag über die Landes- bis zur Bundesregierung undenkbar. Diesen Rückhalt hatte der Moselaufstieg immer mal wieder in den vergangenen 30 Jahren - aber nie so lange, dass an einen Baubeginn auch nur zu denken war.
Als die Grünen 2011 in Mainz Koalitionspartner der SPD wurden, sanken die Chancen des Moselaufstiegs scheinbar auf null, denn die Grünen lehnen dieses Projekt konsequent ab. Ihr Argument: Der Moselaufstieg ist längst nicht mehr zeitgemäß, zerstört die Umwelt und verschlingt Millionen an Steuergeld, die besser in den Öffentlichen Personennahverkehr investiert werden sollten. Mainz meldete den Moselaufstieg deshalb nicht für den Bundesverkehrswegeplan 2015 bis 2025 an.

Wer ist dagegen? Sehr viele Menschen. Neben den bereits erwähnten Grünen protestieren seit Jahrzehnten Anwohner von Trier-Zewen und Igel massiv gegen den Moselaufstieg. Jeder Tanktourist in Richtung Wasserbillig kennt die teilweise schon sehr alten Transparente mit der Aufschrift "Moselaufstieg Nein Danke!". Zusammen mit den Grünen laufen auch die Umweltschutzverbände Sturm gegen den Moselaufstieg, der Biotope zerschneide und Flora und Fauna bedrohe.

Wer ist dafür? Die Masse der Moselaufstiegs-Befürworter ist statistisch schwer zu erfassen. Die Luxemburg-Pendler gehören wohl dazu, viele Anwohner der Trierer Innenstadt wahrscheinlich auch. Politisch ist die Lage klarer: Sowohl der Stadtrat Trier als auch der Kreistag Trier-Saarburg haben für den Moselaufstieg gestimmt.

Wird er denn nun gebaut? Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat den Moselaufstieg im März in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen - obwohl die Landesregierung Rheinland-Pfalz das Projekt gar nicht dafür angemeldet hatte. Das ist aber noch lange keine Garantie für den Bau.

Denn dieser vordringliche Bedarf ist zuerst einmal nur eine Prioritätenliste. Die wichtigsten Projekte der Bundesländer werden darin zusammengefasst. Doch bevor eines davon tatsächlich realisiert wird, muss es viele Hürden nehmen. Bereits eine erfolgreiche Klage eines Anwohners kann dafür sorgen, dass geschaffenes Baurecht aufgehoben werden muss. Und selbst wenn der Moselaufstieg alle rechtlichen und politischen Hürden nehmen sollte, würde es noch viele Jahre dauern, bis er tatsächlich da ist.

Die Ortsumgehung Könen ist zentraler Bestandteil und quasi die südliche Hälfte des Projekts Moselaufstieg. Alles Wissenswerte über diese Umgehung finden Sie auf dieser Themenseite .Meinung

Er muss kommenVier Worte reichen aus, um die Frage nach dem Sinn des Moselaufstiegs klar zu beantworten. Trier braucht eine Umgehung. Man muss den gelegentlichen Trierer Verkehrsinfarkt gar nicht selbst miterlebt haben, um die Wahrheit dieser vier Worte deutlich zu sehen. Ein Blick auf jede beliebige Straßenkarte reicht aus. Die Stadt Trier als Flaschenhals zwischen Bundesstraßen und Autobahn - das kann nicht funktionieren. Das Hauptproblem der Stadt Trier - den Binnen- und Besucherverkehr in der Innenstadt - kann der Moselaufstieg in der Tat nicht lösen. Doch das ist kein Gegenargument. Kein vorstellbares Straßenbauprojekt kann alle Trierer Verkehrsprobleme in einem Handstreich beseitigen. Die Verlagerung des Durchgangsverkehrs ist der bei weitem wichtigste und umfassendste Beitrag zu einem schöneren Trier, den ein Bauprojekt bewirken kann. Denn die Vorstellung, Autofahrer steigen freiwillig auf Bus und Bahn um, fahren Rad oder gehen gleich zu Fuß, ist - leider - immer noch ein grünes Utopia. j.pistorius@volksfreund.deExtra

Raus aus der Trierer Innenstadt!
Foto: Friedemann Vetter

Der Moselaufstieg hat in den vergangenen drei Jahrzehnten unzählige Diskussionen in Wohnzimmern, Kneipen und Ratssälen provoziert. Stellvertretend für alle Freunde und Gegner des Projekts zitiert der TV zwei Leser, die diese Debatte seit vielen Jahren verfolgen. Willi Reichert (72) aus Trier war laut eigener Aussage von Anfang an dabei - und von Anfang an dagegen. Das ist er auch heute noch und spricht dabei für viele andere. "Der Moselaufstieg löst überhaupt kein Problem", sagt Reichert. "In Trier wird man seine Auswirkungen kaum bemerken, da das Hauptproblem durch den innerstädtischen Verkehr verursacht wird. Für die schon durch den Tanktourismus geplagten Anwohner von Igel wird die Belastung noch höher." Das sieht Gerd Zonker aus Waldrach völlig anders und sagt: "Ich fühle mich in Trier nicht als Kunde oder Gast, sondern als Verkehrsproblem." Seine Argumentation: "Jeder Bagger, der in Konz gebaut wird, muss durch die Stadt gefahren werden. Jedes Bier, jeder Bimsstein und sonstige Gegenstände, die in Konz oder in Saarburg gebraucht werden, müssen durch die Stadt transportiert werden. Dazu noch die PKW, die Richtung Bitburg oder Koblenz fahren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Moselaufstieg keine Entlastung für Trier bringt." jp

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