Reden statt Repräsentieren

TRIER. Seit er im Juni den Hut in den Ring warf, ist es nach außen hin ruhig geworden um den OB-Kandidaten Klaus Jensen. Doch hinter den Kulissen hat der 53-Jährige längst einen intensiven Wahlkampf ungewöhnlicher Art begonnen – auch wenn er den Begriff nicht gerne hört.

Klaus Jensen redet viel dieser Tage. Und er hört viel zu. Mittagessen mit einer Gruppe Trierer Juristen in der Markthalle. Man will den Kandidaten kennen lernen. Abends eine Runde mit einem Dutzend Selbstständiger im privaten Kreis. Einer von ihnen hat Jensen angesprochen, ob er für ein Gespräch zur Verfügung stünde - und gleich eine Reihe von Bekannten dazu gebeten. Umweltverbände und Gewerkschaften suchen Kontakt, Kammern und Gewerbetreibende. Gerade war der Leiter einer großen Kultur-Institution drei Stunden zu Besuch in Jensens Büro, eine Gesprächsrunde mit Marketing- und Event-Leuten ist in Vorbereitung.200 Gesprächs-Anfragen liegen auf dem Tisch

Manchmal wird der Kandidat selbst aktiv, um Kontakte herzustellen. Aber meistens kommt man auf ihn zu. Offensichtlich hält man seine Chancen für reell, Ende kommenden Jahres das Erbe von Helmut Schröer anzutreten. 200 Einzel-Anfragen hat er auf dem Tisch liegen, rund 2500 Zugriffe verzeichnet seine Homepage. "Wer das Gespräch sucht, muss sich darauf verlassen können, auch mit mir in Kontakt zu kommen", sagt der Politiker. "In fast allen Stadtteilen" fänden sich derzeit Bürger für Wahl-Initiativen zusammen. "Die meisten sind parteipolitisch nicht gebunden", wie Jensen betont. Knapp ein Jahr vor der Entscheidung, die wahrscheinlich am 24. September 2006 fällt, kann man das durchaus Wahlkampf nennen. Der Begriff passe "zumindest teilweise nicht", hält Jensen dagegen. Schließlich dienten die Gespräche nicht primär dem Stimmenfang, sondern lieferten "die Grundlage für mein Wahlprogramm", das er bis zum Frühjahr "in einem transparenten Prozess" erarbeiten will. Letztlich entscheiden wird er über seine Arbeitsgrundlage aber ganz allein. "Ich stimme das mit niemandem ab, ich bin niemandem verpflichtet, das ist der Vorteil einer unabhängigen Kandidatur". Das mit der Unabhängigkeit muss er oft erklären - als ausgewiesener Sozialdemokrat. Fast gebetsmühlenartig, wie er selbst einräumt, legt er dann seine Philosophie dar: Dass in Trier schon lange keine Partei mehr eine absolute Mehrheit stelle, und der OB deshalb nicht nur von einer politischen Fraktion abhängig sein solle. Dass er "neue Lösungen und Politikstile jenseits von den Grabenkämpfen der Politik" anstrebe. Bislang ist die Strategie aufgegangen: Die Grünen haben ihm ihre Unterstützung zugesagt, mit FDP und UBM gab es aus seiner Sicht "sehr gute, konstruktive Gespräche". Lediglich die CDU hat auf sein Gesprächsangebot vom Juni nicht einmal geantwortet. Dass ihn viele inzwischen als Favoriten für den Wahlgang einstufen, hält Klaus Jensen nicht unbedingt für einen Vorteil. Zwar ist ihm ein bisschen Stolz anzumerken, wenn man ihm zutraut, nach 60 Jahren der erste Nicht-CDU'ler auf dem Trierer Oberbürgermeister-Stuhl zu werden. Aber OB-Wahlen, das hat er eigens recherchiert, lockten in der Regel 35 bis maximal 50 Prozent der Wähler an die Urne, da komme es "auf die Mobilisierung an". Wahlkampf-Schwerpunkt in den Stadtteilen

Diese Mobilisierung will er generalstabsmäßig betreiben, allerdings erst nach der Landtagswahl im März. Jensen setzt auf die Stadtteile, sucht neue Wege, um an die Bürger heranzukommen. Dass sein Konkurrent mit den Repräsentations-Aufgaben eines Dezernenten andere Möglichkeiten hat, Präsenz zu zeigen, schreckt ihn nicht. Mit der Vielzahl an Kirmes- und Festauftritten wolle er ohnehin nicht unbedingt konkurrieren. "Lieber nutze ich zwei freie Stunden für intensive Gespräche als dafür, repräsentativ auf einer Festveranstaltung herumzusitzen", lautet die Devise. So weit ist das mit den freien Stunden aber auch nicht her. Gerade ist Klaus Jensen aus Ruanda zurückgekehrt, wo er im Auftrag der eigenen Stiftung Friedensgespräche und -projekte anleiert. Wie immer der Wahlkampf in Trier läuft: Gegenüber den Problemen in Afrika dürfte ihm die Stadt an der Mosel wie ein friedliches Biotop erscheinen.

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