Religions-Cocktail, selbst gebraut

TRIER. Bei einem Kongress an der Universität diskutierten Wissenschaftler und Laien die Auswirkungen von Religion und Esoterik auf das Erziehungs- und Bildungssystem.

"Die ewige Wiederkehr des Religiösen" - unter dieses provokante Motto hatten die Organisatoren ihre Veranstaltung gestellt. "Als Hochschulgruppe sehen wir die Notwendigkeit zur Kritik an religiösen Systemen", sagt Organisator Christoph Lammers vom Forum Demokratischer Atheistinnen, das den Kongress zusammen mit dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten, dem Infoladen Trier und der Jenny-Marx-Gesellschaft für politische Bildung organisiert hatte. "Man muss dem weltanschaulichen System folgen, um Glückse-ligkeit zu erreichen. Tut man das nicht, wird man ausgeschlossen." Als charakteristisch für weltanschauliche Organisationen nennt Lammers eine feste Ordnung, das Gefühl des Auserwähltseins und eine starke Führerschaft. "Es gibt keine Möglichkeit, das Regelwerk zu hinterfragen", kritisiert der bekennende Atheist. "Demokratie lebt aber davon, dass Regeln veränderbar sind." Besondere Sorgen bereitet Lammers das "General Agreement on Trade and Services" (GATS) der World Trade Organisation (WTO). Das Abkommen sieht vor, dass die Staaten ihren Dienstleistungssektor privatisieren sollen. Das könnte auch Schulen und andere Bildungseinrichtungen betreffen. Lammers: "Durch die Privatisierung von Bildung und dadurch, dass es religiöse Systeme gibt, besteht die Gefahr, dass sich das Netz an Bekenntnisschulen weiter ausbreiten wird."Widersprüche in der Bibel

In Vorträgen und Workshops beschäftigten sich Referenten und Konferenzteilnehmer mit Systemen offener und verdeckter weltanschaulicher Erziehung. "Ist christliche Erziehung verantwortbar?" fragte Professor Franz Buggle aus Freiburg im Breisgau. Er kritisierte das Christentum massiv und verwies auf Widersprüche in der Bibel. So würde einerseits Barmherzigkeit gefordert, gleichzeitig aber mit der Verdammnis gedroht. Buggle: "Dabei ist die Höllenstrafe doch das Unbarmherzigste, was es gibt." Seit einigen Jahren verstärkt ins Blickfeld der Kritik gerückt ist das Erziehungsmodell der Anthroposophie von Rudolf Steiner. "Die Waldorfschule ist eine Bekenntnisschule, sie bestreitet aber, dass sie eine ist", kritisierte Professor Klaus Prange aus Tübingen. "Die abenteuerlichen Gedanken Steiners werden nicht als Glaube, sondern als Wissenschaft präsentiert." Prange bemängelt, dass die grundlegenden Annahmen der Pädagogik der Waldorf-Schulen von den Anhängern nicht bewiesen werden. "Gelernt wird durch Mitgehen, nicht durch Verständnis", kritisierte er. "Zuletzt muss man der Erkenntnis des Erfinders vertrauen."Kritik an Montessori-Ansatz

Bislang wenig Kritik ausgesetzt war der pädagogische Ansatz der italienischen Ärztin Maria Montessori. Bei ihm setzte Wolfgang Proske aus Neu-Ulm an. "Der Ansatz ist unwissenschaftlich und unredlich zugleich", kritisierte er. Den Annahmen der Ärztin fehle die wissenschaftliche Basis, außerdem würden die Anhänger eine religiöse Ausrichtung verschweigen. Proske: "Die Montessori-Pädagogik tritt mit einem überkonfessionellen Anspruch auf, hat aber eindeutig katholische Wurzeln." Über Jugend und Okkultismus referierten Waldemar Vogelgesang und Frank Welker aus Trier. "Es ist eine Bewegung weg von den institutionalisierten Religionen zu beobachten", erklärte Welker. "Trotzdem treten die Leute aber nicht aus der Kirche aus." Vielmehr suchten sich viele Jugendliche ihre Religion aus verschiedenen Richtungen zusammen. Welker: "Wir haben das als Patchwork-Religion bezeichnet. Es gibt einen Markt der Religionen, auf dem alles möglich ist - ein Mix etwa aus Buddismus, Hinduismus, Christentum und Okkultismus."

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