Rivalen im Scheinwerferlicht

TRIER. Ulrich Holkenbrink, der Gemütliche, kann auch aggressiv werden. Klaus Jensen, der Analytiker, beherrscht den verbalen Schlagabtausch. Rund 800 Zuschauer des TV-Forums zur Trierer Oberbürgermeisterwahl im Theater erlebten beide Kandidaten ungewohnt offensiv. Im Verlauf des Forums wurden die Kontroversen deutlich – und jede Menge Adrenalin frei.

Diplomatie, Höflichkeit und der Wunsch, nicht als Schlamm-Werfer zu gelten und dadurch Minuspunkte zu sammeln, haben dem Oberbürgermeister-Wahlkampf bisher ein recht braves Gesicht verliehen. Zu emotionalen Ausbrüchen konnte es auch gar nicht kommen, da sich Holkenbrink und Jensen nur äußerst selten Auge in Auge gegenüber standen. Doch am Mittwochabend war damit Schluss. Das direkte Duell war angesagt. In einem voll besetzten Theater traten die Kandidaten an und gingen alles andere als sanft miteinander um. Die TV-Redakteure Dieter Lintz und Frank Giarra, die das Forum moderierten, gaben die Regeln des Duells vor, die kein friedliches Geplänkel zuließen. Kopf an Kopf mussten beide Kandidaten deutlich machen, worin sie sich am stärksten unterscheiden. Eine Art Debatten-Tennis begann. Wer Aufschlag hatte, konnte 90 Sekunden lang eine Verbal-Attacke starten, musste danach den ebenso langen Return seines Gegners ertragen und hatte dann nochmal Gelegenheit zu einem abschließenden Schlag. Klaus Jensen hatte als erster Aufschlag und ging gleich in die Vollen. "Der Stadtvorstand hat das Thema Bürgerbeteiligung nur halbherzig umgesetzt", warf er Holkenbrink vor. "Viele Bürger waren zwar an Stadtteilrahmenplanung beteiligt, und dann hat man nichts mehr gehört. Die Menschen fühlen sich missbraucht und sind für Beteiligungen verbrannt." Holkenbrink hielt dagegen. "Wir haben viele gute Ergebnisse erzielt. Die Kommunikation zwischen Bürgerverein, Ortsbeirat und Stadtrat funktioniert." Und gerade auf den Stadtrat komme es an, "schließlich hat der Bürger diese Abgeordneten gewählt, damit sie die Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen." Aufschlag Holkenbrink: "Wir brauchen die wirtschaftliche Entwicklung als Fundament. Deshalb müssen wir die Einnahmen steigern und ausbauen, was machbar ist, vor allem die Verkehrsinfrastruktur." So mancher Zuschauer fragte sich, wo hier eine Kontroverse verborgen sein sollte. "Ich kann keinen Dissens erkennen", blockte Jensen dann auch ab und ging zum Gegenangriff über: "Ich werde die Wirtschaft zur Chefsache machen und nicht an einen Dezernenten delegieren." Ein Hieb gegen den Schul- und Kulturexperten Holkenbrink, dem man keine derart innige Verbindung zur Wirtschaft nachsagt. Es wurde härter. Jensen griff mit dem Investitionsstau der Trierer Schulen in Höhe von 30 Millionen Euro an und machte den Schuldezernenten Holkenbrink dafür verantwortlich. Der wehrte sich: "Ich habe den Gebäudezustandsbericht und einen Schulentwicklungsplan eingerichtet." Jensen schmetterte diesen Return weg: "Der Schulentwicklungsplan kam doch erst, nachdem ich meine Kandidatur für die OB-Wahl erklärt habe."Zweifel an der Unabhängigkeit

Und dann kam es knüppeldick. Holkenbrink schlug auf mit subtilem Zweifel an der Unabhängigkeit des von der SPD und den Grünen unterstützten Kandidaten Jensen. Der CDU-Kandidat wollte wissen, warum ein unabhängiger Bewerber bei seiner zentralen Wahlkampf-Veranstaltung Verstärkung durch die Bundes-Partei-Chefs Kurt Beck (SPD) und Reinhard Bütikofer (Bündnis 90/Die Grünen) erhält. Jensens Augen wurden zu schmalen Schlitzen. "Was wollen Sie denn damit sagen?", knurrte er Holkenbrink an und erhielt Beifall im Saal. Unabhängigkeit brauche eben auch Menschen, die helfen, was aber an der Glaubwürdigkeit seiner Person und Botschaft nichts ändere. "Die Grünen unterstützen mich auch ohne inhaltliche Absprachen", betonte Jensen und forderte die Buh-Rufer im Publikum verärgert auf, "das zur Kenntnis zu nehmen". Antenne West zeigt Ausschnitte aus dem Forum in seinem aktuellen Tagesprogramm. Der Offene Kanal überträgt die komplette Veranstaltung am 15. und 17. September jeweils um 20.15 Uhr sowie am 22. September um 20.15 und um 23.30 Uhr.MEHR FOTOS AUF SEITE 14

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