Römer raus, Merowinger rein

TRIER-SÜD. Außen spätrömisch - und innen frühmittelalterlich. Die Öffnung zweier römischer Steinsarkophage an ihrem Fundort in der Aulstraße wirft ein bezeichnendes Licht auf Trierer von anno 500 bis etwa 700. Sie ließen die sterblichen Überreste von Römern aus deren Särgen holen und sich selber darin beisetzen.

Für Spannung ist gesorgt. "Keine Ahnung, was drin ist. Ich rechne nicht unbedingt mit dem Trierer Diatretglas. Aber auf Beigaben hoffe ich durchaus", sagt Karl-Josef Gilles vom Rheinischen Landesmuseum. Dann betätigt der Baggerfahrer den Hebel und hebt sachte den rund 750 Kilo schweren Deckel des Steinsarkophags an. In der Tat: Eine Trierer Version des berühmten spätantiken Prunkglases, bekannt als Niederemmeler Diatretglas, findet sich nicht in dem Sarg. Im Gegenteil: Der Leichnam vermutlich einer Frau war offenbar ohne wertvolles Geschmeide bestattet worden. "Es dürfte sich um eine Christin gehandelt haben", sinniert der Archäologe angesichts des halb vergangenen Skeletts.Fundgrube Gräberfeld

Die anschließende Öffnung des zweiten Sarges bringt doch noch einen Aha-Effekt. Das robuste Skelett eines groß gewachsenen Mannes ist, obwohl offensichtlich einst von Grund- oder Mosel-Hochwasser heimgesucht, weitaus besser erhalten als das der Nachbarin - und in seinen Händen hielt der Tote ursprünglich ein etwa 15 Zentimeter langes Messer mit geschnitzten Kreisaugen auf dem Beingriff. Gilles: "Das hilft uns weiter. Ich tippe auf einen Merowinger." Also einen Frühmittelalter-Trierer aus dem 6. bis 8. Jahrhundert. Und die Dame nebenan? "Wahrscheinlich seine Frau." Und beide betucht, wie die Nobel-Bestattung belegt. Doch wie kamen sie zu eindeutig aus dem 4. Jahrhundert stammenden Sarkophagen aus hellgrünem Kylltal-Sandstein? "Wir haben es hier wohl mit einer Zweitverwendung von Särgen zu tun", vermutet Gilles. Das würde auch die ungewöhnliche Fund-Ebene erklären. Die Römersärge befinden sich weniger tief in der Erde als manche älteren Bestattungen, die ebenfalls bei der laufenden Ausgrabung zutage traten. Demnach wurden sie erst in nachrömischer Zeit an der heutigen Aulstraße aufgestellt, dürften aber aus der unmittelbaren Nachbarschaft stammen. Ein Landesmuseums-Team gräbt derzeit im Vorfeld eines Neubauprojekts auf geschichtsträchtigem Terrain: Das Baugrundstück liegt im südlichen Gräberfeld der antiken Stadt. Hier bestatteten die römischen Trierer ab dem 2. Jahrhundert ihre Toten. Im 5. Jahrhundert endete die Römerherrschaft im Trierer Land, die großen Friedhöfe nördlich und südlich der zerfallenden Stadtmauer wurden im Mittelalter weiter belegt. Die Archäologen buddeln in einer wahren Fundgrube. Auf einer Mini-Fläche von 50 Quadratmetern stießen sie bislang auf drei Sarkophage (einer davon weitgehend zerstört) und 40 weitere Gräber, teilweise bis zu neun Bestattungen übereinander. "Familiengräber aus fränkischer Zeit", vermutet Gilles. Gewissheit sollen C-14-Untersuchungen an drei Skeletten bringen. Solche Altersbestimmungen kosten jeweils 600 Euro und strapazieren den Grabungsetat des Landesmuseums erheblich. DNA-Analysen des mutmaßlichen Ehepaares wird sich das Museum nicht leisten können. Auch ohne Schmuck- und Gefäßbeigaben wertet Gilles die Erkenntnisse aus der Sarkophag-Öffnungen als "überaus bedeutend. Merowingische Gräber haben sich bisher sehr selten nachweisen lassen."

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