Romantik und handfeste Streitereien

BIEWER. Urkundlich belegt sind sie erst im 10. Jahrhundert - doch Heimatforscher sind sich sicher, dass es schon zur Römerzeit Wassermühlen im Biewertal gab. Noch im 20. Jahrhundert arbeiteten dort sechs Betriebe. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann das große Mühlensterben.

 Robuste alte Technik: Das Mühlrad der Pulvermühle ist nach Angaben von Hans Fries noch voll funktionsfähig.Foto: Gabriela Böhm

Robuste alte Technik: Das Mühlrad der Pulvermühle ist nach Angaben von Hans Fries noch voll funktionsfähig.Foto: Gabriela Böhm

EinStück vergangener Mühlenromantik ist anschaulich im Biewertal zusehen. Wer von Biewer nach Aach fährt, kommt an der Pulvermühlevorbei. Die Inschrift "Sich regen bringt Segen" und eine"Lüftlmalerei" mit Pferdewagen erinnern an die bewegteVergangenheit. "Ich habe hier eine schöne Kindheit gehabt", sagt Hans Fries. Seine Eltern waren noch Nebenerwerbs-Müller, bis sich das Mühlrad in den 70er Jahren zum letzten Mal drehte. Die Großeltern hatten die Mühle hauptberuflich betrieben. Wie ein Wasserfall schoss damals das angestaute Wasser des Mühlenteiches in den Mühlengraben. "Wir haben solche großen Forellen gehabt", erinnert sich Fries und breitet die Arme weit aus.

Eigentümer war einst der Kurfürst

Seitlich der Mühle war in früheren Zeiten der Waschplatz.

Ab dem 10. Jahrhundert sind Mühlen im Biewertal urkundlich belegt, darunter Getreide- und Ölmühlen im 12. Jahrhundert, die auch zum Walken ausgerüstet waren. Die älteste von sechs erhaltenen Mühlen - so verrät es die umfangreiche Biewerer Ortschronik von Friedrich Keil - ist die Pulvermühle am Aacher Weg. Sie wurde im späten 16. Jahrhundert gebaut und stand im Eigentum des Kurfürsten. Die Pulvermühle war wie die Birkelsmühle in der Donaustraße eine Bann-Mühle, bis sie säkularisiert wurde und in Privatbesitz überging. Bei den unbeliebten Bann-Mühlen waren die "Mahl-Gäste" (Kunden) verpflichtet, nur in dieser bestimmten herrschaftlichen Mühle mahlen zu lassen - schließlich wollte der Kurfürst Geld verdienen.

Pulvermühlen wurden bevorzugt in abseits gelegenen Wald- und Gebirgszügen angelegt, um Schießpulver - das seit dem 13. Jahrhundert wichtigste Kriegsmittel - herzustellen. Die Biewerer Betreiber der Pulvermühle müssen damals im Biewertal die geeigneten Bedingungen vorgefunden haben. Es gab genügend Wald, um Holz zu schlagen für Holzkohle sowie nahe Salpeter- und Schwefelvorkommen. Und natürlich das Wasser zum Betreiben der Mühle.

Allerdings war das Thema "Wasser" auch oft Anlass zu Streitigkeiten - und das noch bis in die jüngere Vergangenheit. Gegenseitig gruben sich die Mühlenbesitzer das Wasser ab oder lagen wegen der nötigen Reinigung und Instandhaltung des Mühlenteiches im Clinch. Der 52-jährige Hans Fries erinnert sich daran, dass in seiner Kindheit der Mühlenteich von den höher gelegenen Mühlenbetreibern mutwillig auf die Straße umgeleitet wurde. Sogar handfeste Auseinandersetzungen sind überliefert.

Wann die Biewerer Pulvermühle angelegt oder von einer Mehl- zu einer Pulvermühle umgerüstet wurde, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich diente sie während des Dreißigjährigen Krieges der Pulverherstelltung.

Die Pulvermühle hat noch ein gut erhaltenes Mühlrad, das voll funktionsfähig ist. "Wenn uns nicht durch die Stadt das Wasser abgegraben und in den Biewerbach umgeleitet worden wäre, könnte die Mühle noch heute laufen", sagt Fries.

Nachdem die Birkelsmühle ihren Betrieb in den 60er Jahren eingestellt hatte, erwarb die Stadt die Rechte an dem Mühlenteich. Ab dieser Zeit wurde er nicht mehr genutzt und ist heute eine Art Feuchtbiotop. In den Siebzigern war auch mit der Mahlmühle Schluss - und mit Holzschneidearbeiten für private Zwecke endete die Ära der Pulvermühle. Hans Fries: "Noch heute fragen Leute, die vorbei kommen, nach der Bedeutung der Pulvermühle." Denen zeigt er dann schon mal das Mühlrad, über das er mit seinem Vater zum Erhalt der alten Technik ein Schutzdach gebaut hat.

Morgen: Biewer benötigt einen Jugendtreffpunkt - aber wo soll er hin?

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