Rüstig und engagiert

TRIER. Dreiundachtzig Jahre würde man ihr beileibe nicht geben: Hildegard Jung ist aktiv wie eine Sechzigjährige, versprüht Optimismus und Lebensfreude. Zweimal täglich geht die rüstige Dame ins Mutter-Rosa-Altenheim, um dort alten Menschen zu helfen, die weniger gut dran sind als sie.

 Wollte mit 60 nicht in den Ruhestand gehen: Hildegard Jung. Foto: Dorothee Quaré-Odenthal

Wollte mit 60 nicht in den Ruhestand gehen: Hildegard Jung. Foto: Dorothee Quaré-Odenthal

"20 Jahre habe ich bei Moritz und Senger gearbeitet", lächelt Hildegard Jung. "Als ich sechzig wurde, wollte es mein Chef nicht glauben und erkundigte sich extra, ob es stimmen kann." Ihr Rezept für's Jung-bleiben? "Ich schlafe viel, und ich gehe gern zu Fuß." Eine gesunde Ernährung versteht sich von selbst, und auch ihre Wohnung hält sie selbst in Ordnung, bis hin zum Fensterputzen. Ihre beiden Söhne leben weit weg; einer in München, einer in Florida. Vor zwei Jahren flog sie hin. Doch die alte Dame ist weit davon entfernt, einsam in ihrer Wohnung im Trierer Maarviertel zu versauern: "Jeden Tag gehe ich von elf bis eins und dann wieder ab vier Uhr ins Mutter-Rosa-Heim. Je älter die Menschen sind, desto langsamer können sie auch essen. Doch die Schwestern haben nicht die Zeit, jedem dort eine halbe Stunde beim Essen zu helfen. Also mache ich das, und wenn sie satt sind, helfe ich ihnen ins Bett. Jeden Mittag, und abends genauso." Wie sie dazu kam? "Ich mache das schon dreizehn Jahre lang", lacht die lebhafte Dame. "Es fing damit an, dass mich eine Bekannte auf eine Feier dorthin mitgenommen hat. Ich traf da eine frühere Kollegin und versprach ihr, sie öfters einmal zu besuchen. Ich war ihr beim Essen behilflich. Eine ältere Dame saß dabei, die war allein. So kümmerte ich mich automatisch auch um sie. Heute, nach etlichen Jahren, gehe ich immer noch auf den Friedhof nach Mattheis und bringe dort ein paar Blümchen auf ihr Grab. Ich habe hier eine Schale mit Geranien für sie." In der Küche warten frische Erdbeeren, zerteilt und gezuckert, auf eine 92jährige Dame im Altenheim: "Ich hab' ihrer Tochter versprochen, nach ihr zu sehen. Ich habe immer das Gefühl, sie ist meine Mutter, so lieb ist sie - ich könnte sie knuddeln!" lächelt Hildegard Jung. "Gestern habe ich einen Apfelpfannkuchen mitgenommen. Den hat sie fast ganz geschafft, sie freute sich sehr." Gelegentlich fährt sie sie im Rollstuhl spazieren - auf den Friedhof, der ist ebenerdig. "Ich bin wirklich gern da", betont die Seniorin. "Alte Menschen haben oft niemanden, der mal ein Wort mit ihnen spricht. Wenn die Feiertage kommen, weiß keiner, wo man wohnt... Viele Leute sind egoistisch, gehen eher zehnmal in die Stadt, als etwas für andere zu tun. Dabei liegt es doch auch im Menschen drin, anderen Menschen zu helfen... ich mach's gern, und ich kann mir ja Zeit lassen. Ich bin wirklich froh, dass ich meine Arbeit habe!"

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