Schauspielerei und Schizophrenie

Eine Rolle zu spielen, ist ihm zu wenig. Kaya Yanar ist der lässige Italiener, der heißblütige Franzose, der tänzelnde Inder und der hitzige Araber - und wenn es sein muss, passen alle diese Rollen in einen Satz. In Trier wandelte er vor etwa 1100 Zuschauern auf dem schmalen Grat zwischen Schauspielerei und Schizophrenie.

Trier. Sie kann verzücken und verschrecken, erotisch oder aggressiv, amüsant oder genierlich sein. Die Sprache in all ihren Facetten wird im Mund Kaya Yanars zum Spielzeug und zum Spiegel nationaler Naturelle. Über einen Mangel an Vorschuss-Lorbeeren kann sich der Comedian bei seinem Auftritt in Trier nicht beschweren: Kaum hat er die Bühne der Europahalle betreten, erntet er bereits tosenden Applaus.

Dank Yanars Begeisterung für Geschichte reizt es ihn besonders, mit seinem Programm "Made in Germany" in der "ältesten Stadt Deutschlands" aufzutreten. Karl Marx und Guildo Horn als Söhne der Stadt - da bewege er sich gerne in der Mitte der Extreme.

Yanar arbeitet den Witz heraus, der in jeder Sprache steckt und zeigt die Unterschiede szenisch - von der Streit- bis zur Filmkultur. Ein Terroristenvideo auf Niederländisch und Liebesszenen auf Schweizerdeutsch? Er führt sie vor. Herrlich.

Die deutsche Art zu streiten geht bei Yanar immer mit einem Fingerzeig einher: Wo Menschen anderer Nationen ihrer Wut mit dem ganzen Körper Ausdruck verleihen, regt sich bei den Deutschen nur ungestüm der Zeigefinger.

Das Rollenspiel mit dem Italiener Francesco, dem Türken Hakan und dem Inder Ranjid - Charaktere aus seiner Fernsehsendung "Was guckst du!?" - lässt Yanars schizophrene Ader ebenso wie sein schauspielerisches Talent hervortreten. "Es muss getanzt werden!": So zitiert er die Regisseure der indischen Bollywood-Streifen immer wieder und tänzelt singend über die Bühne. Ja, er hat Charme, er ist sympathisch und einfach süß. Dabei beweist Yanar auch sein Talent zur Situationskomik: Er entlarvt falsche Zwanziger, lauscht dem Publikum und zeigt, dass er auch herzlich über sich selbst lachen kann.

Yanars türkisch-arabische Abstammung bildet den Kern seiner Komik. Und obwohl es ihm Journalisten immer wieder zuschreiben, brennt dem Comedian auf der Zunge, dass Integration überhaupt nicht sein Anliegen ist. Sondern schlichtweg der Humor, der auf kulturellen Unterschieden fußt. Yanar erklärt Fragen der Journalisten nach seinem Beitrag für die Völkerverständigung somit für nichtig, dreht den Spieß um und beschreibt seine Integration als rein sexuelle Unternehmung: "Ich habe mich in die deutschen Frauen integriert." Yanar macht deutlich: "Ich fühle mich als Mensch. Nicht als Türke oder Deutscher."

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