Schein-Heiliger

TRIER. Im Bischofsgewand und ohne Bart: Wie das jahrhundertealte Original zieht Wolfgang Mann immer Anfang Dezember "um die Häuser". Mit seinen Nikolauskollegen von den Trierer Laientheologen besucht er Klein und Groß, sammelt damit für ein russisches Heim und kontert auch kritische Kinderfragen.

Mit Hilfestellung schnürt der junge Mann das Schultertuch um seinen Leib, schlüpft in Albe und Stola, zieht das Zingulum fest. Langsam wird aus dem Studenten in Straßenkluft der Nikolaus wie er geleibt, gelebt und sich gekleidet hat: ein Bischof aus grauer Vorzeit. "Ein Held des Alltags, weil er besonders sozial und menschenfreundlich war", sagt Mann mit Hirtenstab und Bischofshut. Dafür, dass der "nicht hinter dem Weihnachtsmann verschwindet", kämpfen er und seine Kommilitonen - mit sanften Mitteln: zehn bis 15 Hausbesuche pro Nikolaus und Jahr. Das leistet sich der angehende Lehrer für Theologie, Geschichte und Englisch auch jetzt im Examen. Da werde kindgerechtes Antworten auf spontane Fragen geübt ("Was ist denn das für ein Pastor?", "Wo ist Dein Bart?") und einfach ein schönes Spiel mit den Kleinen gespielt. "Ohne Erziehungsmaßnahmen: Ich erinnere mich noch, wie ich selbst als Kind die ganze Zeit hinterm Sofa oder im Schrank gesessen und gezittert habe, wenn der Nikolaus kam", sagt der Mann von der Untermosel. Hans Muff oder Beelzebub, Knecht Rupprecht und seine Rute, die müssen alle draußen bleiben. "Ich frage zwar nach dem Benehmen - aber die Kinder nach dem der Eltern. Das wird manchmal ein bisschen peinlich", sagt der 28-Jährige und schmunzelt. Getadelt und gedroht werde bei echten Nikoläusen nicht - genau wie bei guten Lehrern. Um eben so einer zu werden, geht es für den Lehramtsstudenten im Sommer ins Referendariat an ein Gymnasium und wahrscheinlich weg von der Mosel. Irgendwo hin geschickt werden, das kennt er ja schon als Nikolaus: Ob zu der Grundschule in Gusterath, wo eine Klasse immer auf Niederländisch feiert. Oder zu den Mädchen mit den Englischproblemen, denen der Nikolaus plötzlich eine Stunde Grammatiknachhilfe gegeben hat. "Ich versuche, einen Bogen von der Vergangenheit zu den Kindern in die Zukunft zu spannen", sagt Mann. "Eigentlich war doch alles schon da." Die Postmoderne war gestern. Der Heilige Andreas zum Beispiel. "Ein junger Wilder als Apostel mit Oliver Geißens Out-of-Bed-Frisur", vergleicht der Student. Um als Lehrer später "ausgeschlafen" mit den Schülern zu arbeiten, scheut Mann, auch wenn er nicht in der Nikolauskluft steckt, keine freiwillige Mühe: An speziellen Bibelwochenenden verfolgt er ganz wissenschaftlich die Spuren zwischen den Bibelzeilen, mit einem Arbeitskreis spürt er Jugendszenen nach, und mit Lehrern sucht er nach dem richtigen Ton für den Religionsunterricht. Oder der Winzersohn führt fachkundig zum guten Geist des Weins. "Das wäre noch eine Alternative zum Lehrerberuf gewesen", sagt Mann. Die ganz andere "dritte Wahl", das Priesteramt, habe den Studenten als Kind gereizt. "Das ist wohl bei jedem katholischen Mann so, der sich zum Studium entschließt", sagt er. Seine Studienfächer hat er immer um den theologischen Kern gewoben: in Geschichte zu Bettelorden gearbeitet, in seiner anglistischen Staatsexamensarbeit Christen- und Heidentum in England behandelt. Worauf es für ihn letztendlich ankommen wird, ist sich Wolfgang Mann sicher: "Trotz aller Fachlichkeit, was zählt ist die Beziehung zu den Kindern" - ob in der Schule oder im Nikolausgewand.

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