"Schlafstadt" mit vielen Vorzügen

RUWER. Wie sieht eine Neu-Ruwererin ihren Stadtteil? Die TV -Lokalredaktion bat die Diplom-Geographin Mechthild Schneiders (36), um ihre Einschätzung zu Stärken und Schwächen ihrer Wahlheimat. Hier ihr Beitrag:

 Findet ihre Wahlheimat Ruwer und die Ruwerer gut, nicht aber die Verkehrssituation: TV -Gastautorin Mechthild Schneiders.Foto: Dietmar Scherf

Findet ihre Wahlheimat Ruwer und die Ruwerer gut, nicht aber die Verkehrssituation: TV -Gastautorin Mechthild Schneiders.Foto: Dietmar Scherf

Die Wahl fiel auf Ruwer. Als ich vor fast drei Jahren ins Kirchenflürchen zog, spielten bei der Wohnungssuche nicht nur die schnelle Verkehrsanbindung und die gute Busverbindung nach Trier eine Rolle. Auch mussten die wichtigsten Geschäfte wie Lebensmittelmarkt, Bäckerei, Apotheke, Post und Bank fußläufig erreichbar sein. Und natürlich waren die bezahlbaren Wohnungspreise mit ausschlaggebend. Auch Wald und Wiese sollten nicht zu weit entfernt sein, da mein Hund seinen täglichen Auslauf braucht. Jetzt bin ich von meiner Wohnung aus in wenigen Minuten an der Ruwermündung oder auf der Kenner Ley und kann von dort aus stundenlang durch die Natur spazieren. Generationswechsel in vollem Gange

Schnell fiel mir positiv auf, dass der alte Ortskern durchaus "Dorfcharakter" hat. Da ich mit dem Bus zur Arbeit in die City fahre, mit dem Hund durch den Ort spaziere und öfter dort einkaufe, lernte ich einige "Ur-Ruwerer" kennen und schätzen. Ruwer hat ein großes Problem: Es ist reine "Schlafstadt" für die Menschen, die in den umliegenden Gewerbegebieten, in Luxemburg und in der Stadt Trier arbeiten. Sie kaufen auf ihrem Nachhauseweg ein oder steigen aufgrund der Topografie der Wohngebiete ins Auto und fahren direkt zum Supermarkt auf der "grünen Wiese". Darin liegt meiner Meinung nach der Grund für das im Ort grassierende Geschäftesterben, das ich sehr bedauere. "Zu-Fuß-Gehen" scheint ein Fremdwort in Ruwer. Viele Menschen legen jeden Meter mit dem Auto zurück. Daher fällt es kaum Jemandem auf, dass viele Gehwege in den Wohngebieten zugeparkt sind. Das wird von den Autofahrern höchstens dann registriert, wenn sie keinen Parkplatz mehr finden. Denn beim Bau der Wohngebiete wurden offenbar keine ausreichenden Abstell-Möglichkeiten für Autos berücksichtigt. Unerträglich wird die Verkehrssituation bei Umleitungen oder Staus auf der Autobahn. Dann fällt der Durchgangsverkehr noch heftiger als ohnehin üblich in Ruwer ein. Und das nicht nur in der Rheinstraße - auch die Hermeskeiler Straße und die Wohnstraßen sind betroffen. Dabei halten sich nur wenige Fahrer an die vorgeschriebenen maximal 30 km/h. Zebrastreifen gibt es in Ruwer zwar viele, aber anhaltende Autofahrer sind eher die Ausnahme, wie ich jeden Morgen selbst erfahre. Radwege-Verbindung nach Trier? Fehlanzeige! Mit viel Aufwand wurde ein Radweg von Ruwer nach Kenn angelegt - nur leider endet er auf der Hauptstraße. Und die Radfahrt durch Ruwer kann ich niemandem empfehlen. Spätestens bei der Überquerungshilfe auf Höhe der Sparkasse muss scharf gebremst werden, damit sich das überholende Auto noch durchquetschen kann. Bis zur Tankstelle, an der die Straße überquert werden muss, um zum Radweg nach Trier zu gelangen, ist die Fahrt wahrlich lebensgefährlich. Ein Radweg von der City nach und durch Ruwer - das würde die Lebensqualität im Stadtteil sehr erhöhen und wäre auch für radelnde Touristen ein Segen. Erstaunt war ich, wie die Ruwerer das diesjährige Hochwasser meisterten. Sie nahmen es gelassen, gingen auf Stegen oder setzten mit dem Schlauchboot über den überschwemmten Teil der Rheinstraße. Jeder nimmt den Umweg über die Autobahn oder das Ruwertal in Kauf. Und die Stadtwerke haben viel Übung bei der Umleitung der Busse . . . Heute fiel mir auf, dass es in meiner Umgebung zunehmend lebendig zugeht. Der Generationswechsel ist im Bereich Hermeskeiler Straße in vollem Gange. Immer mehr junge Familien mit Kindern und Hunden kommen dazu - also viel Leben auf der Gasse und sehr gute Nachbarschaft. Irgendwann, so hab ich gehört, wollen die neuen Nachbarn ein Straßenfest organisieren. Morgen in unserer Stadtteil-Serie: Der Fluch des Berufsverkehrs - zwischen 7 und 8 Uhr wälzt sich eine gigantische Blechlawine durch Ruwer.

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