Schlottern im Dunkeln

TRIER. Ein offenbar zahlungsunfähiger Hausbesitzer macht seinen Mietern in Trier-Nord zu schaffen. Vor drei Monaten stellten die Stadtwerke Strom und Gas ab, seither behelfen sich die Bewohner mit Taschenlampen und Heizlüfter.

 Kerze und Heizlüfter stets griffbereit: Mieter Harry Günzel.Foto: Marcus Stölb

Kerze und Heizlüfter stets griffbereit: Mieter Harry Günzel.Foto: Marcus Stölb

"Bringen Sie am besten ihr Handy mit", empfiehlt Harry Günzel, "wenn Sie vor der Tür stehen, rufen Sie dann kurz durch", erteilt er dem kommenden Gast weitere Instruktionen. Die sind auch nötig, seit vor drei Monaten die Klingelanlage verstummte; da hatten die Stadtwerke gerade den Strom abgestellt. Seither empfängt Günzel seine Gäste bisweilen mit Kerzenlicht. Mit brennendem Docht geleitet der 37-Jährige dann seinen Besuch durch den dunklen Hausflur hinauf ins dritte Geschoss, wo er seit einem halben Jahr wohnt. Schon bei Tageslicht ist die Treppe eine Tortur, doch im Düsteren die Stufen zu erklimmen, gleicht einer Mutprobe. Und wer sich dieser stellt, sollte sich warm anziehen: Schließlich haben die Stadtwerke mit dem Strom auch noch das Gas abgedreht und damit das ganze Haus kalt gestellt. Drei Monate ist das nun her. Anfangs glaubten Günzel und die anderen Bewohner des Hauses in der Maximinstraße an defekte Birnen oder kaputte Sicherungen. Bis ihnen dämmerte, dass dunkler Flur und ausbleibender Besuch andere Gründe haben könnten. "Wenig später erfuhren wir, dass die Stadtwerke zwei Hauptsicherungen gesperrt hatten", berichtet Günzel, der sogleich seinen Vermieter informierte. Dass Alois Lehmann (Name von der Redaktion geändert) zahlungsfähig ist, ahnten seine Mieter noch nicht. Dutzende Male hätten sie seither versucht, den Vermieter zum Handeln zu bewegen, berichtet eine Bewohnerin. Doch der sei entweder nicht ans Handy gegangen, habe die Anrufer gleich weggedrückt oder sich einfach verleugnen lassen, berichtet Günzel. SMS wurden nicht beantwortet, Einschreiben ließ Lehmann bei der Post liegen. In seinem Haus ward der Vermieter seit Monaten nicht mehr gesehen. "Das Schlimmste ist, dass man sich einfach ohnmächtig fühlt", sagt Günzel. Günzel ist nicht der Typ Mieter, der wegen Bagatellen den Rechtsweg einschlägt. "Über alles hätte man reden können", versichert der Trierer, doch Lehmann habe sich seit Monaten nicht blicken lassen. "Dabei ist vor allem das dunkle Treppenhaus eine absolute Gefahr", warnt Günzel vor möglichen Stürzen. "Das würde keine Versicherung bezahlen." Vom Trierischen Volksfreund mit dem Sachverhalt konfrontiert, weicht Lehmann aus, druckst herum und spricht von "Komplikationen" und "Problemen", die angeblich bald gelöst sein sollen. Was der Vermieter nicht sagt: Er ist offenkundig zahlungsunfähig. Nach TV -Informationen belaufen sich seine Verbindlichkeiten allein bei den Stadtwerken auf rund 6700 Euro. Davon spricht der Hausbesitzer nicht und überhaupt, er habe ja "erst kürzlich" davon erfahren, dass Strom und Gas abgedreht wurden. Tatsächlich sei Lehmann vor zweieinhalb Monaten informiert worden, versichern die Hausbewohner unisono. Günzel hat inzwischen die Miete gemindert. Viel mehr Möglichkeiten hat er nicht, will er in der erst vor wenigen Monaten von ihm renovierten Wohnung bleiben. Ansonsten muss er improvisieren: Kürzlich erst wollte er sich bei einem Kaffeeröster-Filialisten einen weiteren Heizlüfter zulegen, doch der war gleich am ersten Verkaufstag vergriffen. "Da dachte ich mir, dass mein Vermieter offenbar noch eine ganze Reihe weiterer Häuser besitzt", flüchtet Günzel sich in Sarkasmus.

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