Schluss mit Genuss: Olewiger Sternekoch Becker meldet für Lokal in Trier Insolvenz an

Trier · Die Bar-Restaurant-Imbiss-Kombination XO am Trierer Kornmarkt schließt zum Jahresende. Triers Zwei-Sterne-Koch Wolfgang Becker muss für seine Filiale in der City Insolvenz anmelden. Grund ist die Kündigung seines Vermieters.

 Das Becker's XO im Innenhof der ehemaligen Hauptpost am Kornmarkt schließt spätestens zum 31. Dezember dieses Jahres. TV-Foto: Friedemann Vetter

Das Becker's XO im Innenhof der ehemaligen Hauptpost am Kornmarkt schließt spätestens zum 31. Dezember dieses Jahres. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: friedemann vetter (ve.), Friedemann Vetter ("TV-Upload vetter"

Nein, rosig waren die vergangenen zwei Jahre für das XO nicht. Der Kombination aus Feinkostladen, Bistro, Bar und Restaurant fehlten die Gäste. Vielleicht, weil das Konzept mit den unterschiedlichen Angeboten an unterschiedlichen Theken zu verwirrend oder die Hemmschwelle zu hoch war. "Viele denken offenbar, bei uns gibt's nur Luxus und edel, dabei sind Bier, Kaffee, Cocktails und auch der Mittagstisch bei uns nicht teurer als anderswo", suchte der Olewiger Zwei-Sterne-Koch Wolfgang Becker im Frühsommer nach einer Erklärung, warum sein ambitioniertes Gastroprojekt nicht in Schwung kam und negative Zahlen schrieb (der TV berichtete am 1. Juli). Becker änderte das Konzept: Aus dem schicken Bistro wurde der bodenständige Imbiss Oxerei. Dazu Konzerte und Veranstaltungen im lauschigen Innenhof. Prompt lief der Sommer gut, sagt Becker.Keine Außenstände


Trotzdem musste das XO - mit 650 Quadratmetern größter Gastrobetrieb der Innenstadt - am Freitag Insolvenz anmelden. Nicht, weil die Betreiberin, die Becker's Genuss Aktiengesellschaft (siehe Extra), zahlungsunfähig wäre. "Alle Löhne, alle Lieferanten, Sozialversicherungen und das Finanzamt sind bezahlt", betont Beckers Rechtsanwalt Andreas Ammer. Ursache für die Pleite sei die Kündigung der Räumlichkeiten. Spätestens zum 31. Dezember muss das XO ausziehen.

Der Genuss AG wird damit die Geschäftsgrundlage entzogen. Per Gesetz müssen in einer solchen Situation die Finanzen einer Gesellschaft aktuell bewertet werden. "Vor zwei Jahren hat die AG rund 1,2 Millionen in den Ausbau der Räumlichkeiten und die Einrichtung - Küche, Bar, Möbel, sanitäre Anlagen - gesteckt", sagt Ammer. "Weil unser Vermieter uns allerdings eindeutig mitgeteilt hat, von dieser Einrichtung nichts übernehmen zu wollen, musste der Wirtschaftsprüfer diese Investition auf einen Bruchteil abwerten." Trotz Zahlungsfähigkeit ist die AG daher - buchhalterisch - überschuldet und muss Insolvenz anmelden.

Bei einer außerordentlichen Hauptversammlung hat AG-Vorstand Jan Eitel am Montag die Aktionäre informiert.
Die - zunächst fristlos ausgesprochene - Kündigung für das XO begründet der Vermieter der Immobilie, das Trierer Maklerbüro Gilbers und Baasch, damit, dass Becker zwei Monatsmieten nicht gezahlt habe. "Richtig ist, dass die Aprilmiete nicht überwiesen wurde und die Maimiete derzeit in Raten nachgezahlt wird", bestätigt Rechtsanwalt Ammer. "Aber genau das war so mit Gilbers und Baasch vereinbart! Und zwar als Mietminderung wegen Schmutz, Lärm und Bauarbeiten während der Umbauphase für den benachbarten Hotelbetrieb."Vereinbarte Mietminderung


Gregor Gilbers und Jens Baasch waren am Montag kurzfristig nicht persönlich für eine Stellungnahme erreichbar. Der Schriftwechsel zwischen ihnen und der Genuss AG, aus dem die Vereinbarung über die Mietminderung hervorgeht, liegt dem TV allerdings vor. "Wegen anderer Nebenpunkte dieser Vereinbarung, über die wir uns nicht einig waren - zum Beispiel wollten Gilbers und Baasch volle Einsicht in unsere Bücher - hatten wir den Vertrag allerdings noch nicht unterschrieben", sagt Ammer.

Juristisch gegen die Kündigung vorgehen will Becker nicht: "Selbst wenn wir gewinnen würden, bekämen wir hier doch keinen Fuß mehr auf den Boden." Denn Becker vermutet einen ganz anderen Grund für die Kündigung: "Drei Tage, nachdem Mitte Juni das Ibis-Hotel hier im Posthof eröffnet hat, stand das Ordnungsamt vor unserer Tür. Der Lärmpegel auf unserer Terrasse und in unserer Bar sei zu hoch", sagt Becker. Auch beim Altstadtfest habe das Hotel massiv Ärger gemacht. "Vom Kornmarkt schallte bis um 24 Uhr die Livemusik herein, aber wir sollten hier vor 22 Uhr die Musik herunterdrehen."

Das Hotel hat seine 100 Zimmer nicht nur im gegenüberliegenden Gebäudeflügel, sondern auch in der ersten Etage direkt über der XO-Bar. "Das Gebäude ist leider so schlecht isoliert, dass der Geräuschpegel aus Restaurant und Bar nahezu ungemindert in die erste Etage dringen kann", räumt Becker ein. "Müssten wir die für die Hotelzimmer zulässige Dezibelzahl einhalten, dürfte man sich hier unten noch nicht mal mehr laut unterhalten."Hotel bemängelt Lärm


Veranstaltungen wie der monatliche Salsa-Abend wären undenkbar. "Aber ohne solche Events mit den entsprechenden Umsätzen könnten wir den Betrieb tatsächlich nicht wirtschaftlich betreiben", sagt Becker. "Der Vermieter hätte dafür sorgen müssen, dass die Voraussetzungen für den Einzug eines Hotels geschaffen werden und für eine ausreichende Dämmung gesorgt wird", kritisiert Rechtsanwalt Ammer.

Die Leitung des Ibis-Styles-Hotel bestätigt, dass es wegen des "sehr hohen Lärmpegels" zu Konflikten gekommen sei. "Aber nicht in der Größenordnung, dass wir bei Gilbers und Baasch auf eine Kündigung des XO gedrängt hätten", betont Matthias Wohlgemuth von der Success-Group in Stuttgart, Betreiberin des Hotels. "Wir haben auch definitiv und längerfristig kein Interesse daran, im jetzigen XO selbst eine Gastronomie zu betreiben oder die Räumlichkeiten für andere Zwecke unseres Hotels zu nutzen", betont der Success-Marketingleiter.Möglicher Nachmieter


Einen Nachfolger für das XO haben Gilbers und Baasch offenbar ohnehin schon an der Hand. Nur gut zwei Stunden nachdem die XO-Hauptversammlung am Montag beendet war, hat der Koblenzer Rechtsanwalt Christoph Schneider, der Gilbers und Baasch vertritt, dem XO per Fax für den heutigen Dienstag, 1. September, einen Besuch der Makler und ihres potenziellen neuen Mieters angekündigt. Zur Besichtigung der Räume.Extra

Die Becker's Genuss Aktiengesellschaft hatte der Olewiger Gastronom Wolfgang Becker 2013 gegründet, um eine finanzielle Grundlage für die Eröffnung seiner Dependance Becker's XO in der City zu schaffen. Der Aktienstückpreis betrug bei der Ausgabe 15 Euro bei einem Mindestabnahmepreis von 1005 Euro. Hauptaktionär mit rund 60 Prozent der Aktien - 50 000 Stück - ist Wolfgang Becker selbst. Die übrigen rund 25 780 Aktien verteilen sich auf rund 120 weitere Aktionäre. Im Durchschnitt bedeutet das, dass jeder Aktionär 215 Aktien zu einer Anlagesumme von 3222 Euro besitzt. Mit Anmeldung der Insolvenz steht das Anlagevermögen nicht mehr für die Ausschüttung an die Aktionäre zur Verfügung - die damit voraussichtlich einen Totalverlust einbüßen. Die Schuld daran schieben die Aktionäre offenbar nicht dem AG-Vorstand in die Schuhe: Bei der gestrigen Hauptversammlung erteilten die Aktionäre dem Vorstand mit 9000 zu 400 Stimmen (bei rund 51 000 Enthaltungen aus Aufsichtsrat und Vorstand) Entlastung. Nicht betroffen von der Insolvenz ist Beckers Stammsitz in Olewig mit Sterne-Restaurant, Weinhaus und Hotel. woc

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