Schwäche testen, Kinder fördern

TRIER. (kat) 25 Prozent aller deutschen Schüler leiden laut Marlene Lichtmess, Institutsleiterin des Lehrinstituts für Orthographie und Schreibtechnik (LOS), an einer Lese- und Rechtschreibschwäche. Alarmierend: Die Problematik wird bei 90 Prozent der Grundschüler nicht erkannt. Eine spezielle Förderung kann Abhilfe schaffen.

Phillip M. (20) ist verzweifelt. Bis zum Abitur konnte er sich mit seiner Lese- und Rechtschreibschwäche durchschlängeln. Jetzt, im dritten Semester des Psychologiestudiums, stößt er an scheinbar unüberwindbare Grenzen. Er denkt an Studienabbruch. "Existenzen bleiben häufig auf der Strecke", sagt Marlene Lichtmess, Leiterin des LOS. Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwäche können oft ihre Begabungen und ihren Intellekt nicht ausleben, was Lern- und Lebensfrust und mangelndes Selbstvertrauen nach sich zieht. Ein Teufelskreis. Man kann die Lese- und Rechtschreibfähigkeit testen. Wird die Schwäche erkannt, ist es in einigen Bundesländern möglich, Schüler bis zur siebten Klasse von der Rechtschreibnote freizustellen. "Damit hat der Schüler eine Zeit lang weniger Schulfrust; aber was ist danach?", gibt Lichtmess zu bedenken. Und: Das Beherrschen der Grundfertigkeiten im Lesen und Schreiben beziehe sich nicht nur auf die Deutschnote; es wirke sich fächerübergreifend aus. Lichtmess beobachtet, dass das Kind zwar liest, aber den Sinn nicht wiedergeben kann. Typisch ist auch, dass ähnlich lautende Buchstaben verwechselt werden und geschriebene Texte sehr fehlerhaft sind. Das Gros aller Lese- und Rechtschreibschwächen sei ein erworbenes Problem. Es hängt laut Lichtmess mit einer schwierigen Erstlernsituation zusammen. Die Ausprägung sei unterschiedlich: Die Bandbreite reiche dabei von der normalen Entwicklung der Schriftsprache über eine leichte Lese-/Rechtschreibschwäche bis hin zu einer extremen Störung. Die Initiative, etwas gegen die Schwäche zu unternehmen, gehe in den meisten Fällen von den Eltern aus - oft, wenn Noten ins Spiel kommen. "Der größte Teil der Kinder, die bei LOS pädagogisch therapiert werden, sind normal bis hoch-intelligente Kinder", sagt die Institutsleiterin. Vor Beginn der Förderung erstellen die LOS-Mitarbeiter mit Gesprächen, Lese und Rechtschreibtests eine Diagnose. Lichtmess: "Damit lässt sich genau feststellen, auf welcher Stufe der Lese- und Rechtschreibentwicklung das Kind steht." Ideal sei es laut der Pädagogin, wenn mit allen, die mit dem Kind zu tun haben - vom Lehrer bis zum Therapeuten - ein Gespräch geführt werden könne. Denn manchmal sei die Lese- und Rechtschreibschwäche das vordergründige Problem, hinter dem massive psychische Probleme oder auch schlechtes Sehen oder Hören stünden. "Vorab muss geklärt werden, dass alle Sinne frei sind zum Lernen", so Lichtmess. Ausgehend von einer spezifischen Diagnose können die Schwachpunkte speziell angegangen werden. Klar strukturiert lernt das Kind in Gruppen á acht Schülern zweimal in der Woche in je zwei Unterrichtsstunden. "Es ist harte Arbeit", sagt Lichtmess. Gute Erfolge stellen sich bei 83 Prozent der Schülern, die ein bis drei Jahre lang zu LOS kommen, ein. Ein einfacher Grundsatz kann laut Lichtmess viel zur Vorbeugung und Behandlung der Lese- und Rechtschreibschwäche beitragen: "Lesen und Schreiben lernt man, indem man liest und schreibt." Am 8. und 12. November können Eltern ihre Kinder kostenlos beim LOS , Brotstraße 33 in Trier, testen lassen. Anmeldung unter Telefon 0651/ 75975

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