Seit 25 Jahren mit scharfen Krallen
TRIER. Katzen haben neun Leben, sagt ein altes Sprichwort. Die Kleine Andere Trierer Zeitung, kurz Katz, hat seit ihrer Gründung im Jahr 1979 schon mehr als einmal im Grab gelegen, aber irgendwie ist sie in verschiedensten Gestalten immer wieder aufgetaucht.
Unfreiwilliger Geburtshelfer des alternativen Stadtmagazins war, ausgerechnet, der Trierische Volksfreund . Ende der Siebziger Jahre kochte in der Uni-Szene, vor allem bei der Studentenvertretung der Ärger über die fortgesetzte Ignorierung durch die einzige lokale Zeitung über. Fast ein Jahr beriet man über den erhofften Einbruch in die Trierer Presselandschaft, erwog fantasievolle Magazin-Titel wie "Frus-trier-t", sammelte journalistische Nachwuchs-Sturmtruppen. Zur Welt kam schließlich ein von Hand zusammengeklebtes, zwischen Brillieren und Dilettieren geschriebenes, von viel gutem Willen und wenig Erfahrung geprägtes Blättchen, das zunächst als Gratis-Publikation des AStA im Uni-Umfeld erschien.Gegen Cattenom, für Frauenrechte
Zwei Jahre später übernahm ein, wie es seinerzeit programmatisch hieß, "Redaktionskollektiv" die Herausgabe. Die Katz wandte sich verstärkt regionalen Themen und den Anliegen der damals aus dem Boden sprießenden Bürgerinitiativen zu. Gegen Cattenom, Nachrüstung und Neonazis, für Pro Familia, Dritte Welt und Frauenrechte: Die Linie war klar. Wobei sich zumindest bei letztgenanntem Thema immer wieder heftige, für Außenstehende durchaus amüsante Gefechte zwischen dogmatischen Emanzen und linken Alt-Machos ergaben. Lieblingsfeind der Katzmacher war, neben allerlei Diktatoren und Bundespolitikern, die Trierer Nomenklatura von OB bis TV , Triwo bis gbt, Bischof bis Heuschreck. Da wurde nach Herzenslust gegeißelt, angeklagt, polemisiert. Besonders Katz-Übervater Helmut Schwickerath blies den Mächtigen sprachgewaltig und unnachsichtig den Marsch, manchmal auch südlich der Gürtellinie. Der früh gestorbene Redakteur Bernd Matysiak profilierte sich mit Recherchen, die akribisch Skandale wie die Giftschäden bei Romika-Mitarbeitern ans Licht der Öffentlichkeit zerrten. Und da war auch noch die Funktion als Treffpunkt für die Kulturszene, von den frühen Karikaturen eines Pit Güntzel bis zu den späten Eifel-Kolumnen von Jacques Berndorf. Der einzige aus dem "Establishment", der es zumindest zeitweilig zu einem angedeuteten Liebesverhältnis mit der Katz brachte, war der frühere Oberbürgermeister Felix Zimmermann, ein Mann von barocken Formen und ausgeprägtem Faible für Kultur und andere schöne Dinge des Lebens. Um so kratziger ging die Katz mit seinem Nachfolger Helmut Schröer um, den sie als Erfinder allen Übels zu entlarven trachtete. Schon in den Achtzigern sah es so aus, als sei die Katz verendet. Man verdingte sich als Untermieter beim Parteiblatt "Grünflächenzeitung" und dümpelte vor sich hin. Aber die Krallen wurden nur für die nächste Runde gewetzt. Immer wieder fanden sich neue Mitstreiter um das ungleiche Duo Schwickerath/Matysiak, während eine Katz-Generation nach der anderen den Marsch durch die journalistischen Insititutionen antrat und, je nach Schicksal, bei ZDF, SWR, FAZ oder Radio Salü landete. Die jüngste Sensationskarriere machte übrigens der Luxemburger Katz-Autor Robert Garcia, der nach fulminanten journalistischen Schimpfkanonaden auf den Letzeburger Filz kürzlich zum Chef-Koordinator der Kulturhauptstadt 2007 berufen wurde. Helmut Schwickerath pflegt derweil mit einigen Getreuen die Katz-Tradition. Seit der Trierische Volksfreund lokale Skandale nicht mehr zu verschweigen pflegt, gab es für ein Monatsmagazin keine rechte Geschäftsgrundlage mehr. Dazu kamen einige zermürbende Prozesse, die dem Altlinken gar den grotesken Vorwurf faschistischen Sprachstils einbrachten. So steckte man 1997 auf, um zwei Jahre später in Form eines Jahrbuchs zurück zu kehren, das jeweils am 6. Dezember veröffentlicht wird, in einer kultigen Veranstaltung unter dem Titel "Der Tag der Rute". Gegeißelt wird also immer noch, von Altersmilde keine Spur. Von Altersweisheit freilich auch nicht. Aber dafür wäre es mit 25 vielleicht auch noch etwas zu früh.