Singen als Therapie

TRIER. (bir) Zum ersten Mal mit einem Soloprogramm präsentierte sich der saarländische Männerkammerchor "Ensemble 85" alias "Cräme Fresch" am Freitag im Musikhaus Reisser. Das Motto des launigen Abends mit Liedern aus sechs Jahrhunderten lautete: "Von der ersten Liebe und anderen Sorgen".

Die Zuschauer erwarteten auf den Stühlen Stifte und knallblaue Programmblätter. Darauf leere Zeilen, wo sonst Liedtitel stehen, dafür ein "Hinweis zur besseren Bewältigung des Konzertprogramms": Man solle die Titel erraten und eintragen, auch kommentieren. Kritik als Bewältigung des Programms - oder besser: als Kritik an der Bewältigung des Programms. "Bewältigung" blieb das Motto des Abends. Die fünf Männer von "Cräme Fresch" präsentierten sich als Mitglieder der "Männer-mit-Beziehungsstress-Selbsthilfegruppe". Ihrer saarländischen Psychotherapeutin, Frau "Waachner", seien sie entwischt, um mal im "Ausland" aufzutreten. Mit Liedern, die alle mit Liebe und deren Nöten zu tun hatten, offenbarten sie ihre leidenden Männerseelen - und stimulierten die Lachmuskeln des Publikums. Dabei blieben sie musikalisch sicher, nur selten ging ein Ton im Eifer des komödiantischen Gefechts daneben. Diese kleinen Ausrutscher konnte man aber augenzwinkernd hin-nehmen, denn die Präsentation des Liebesleides war charmant und originell: mal erinnerte sie an mittelalterlichen Minnesang, mal hatte sie den Blues, mal zeigte sie sich als A-cappella-Gesang, mal wurde sie durch "gesungene" Beat-Box-Geräusche untermalt. Dabei unterhielt jeder der Sänger auf seine ganz eigene Art. Tenor und Chorleiter Martin Folz erzählte als "Moderator" Episoden aus der "Männergruppe", Tenor Marcel Strauß gab den zurückhaltenden Gentleman, Bariton Uwe Sahner einen liebenswert-chaotischen Typ. Stimmlich ragte Bariton Jörg Zell heraus, dessen Blume im Knopfloch sich vor lauter Bühnen-Aktivität vor der Pause verabschiedete. Bass Stefan Schnur endlich untermalte den Gesang seiner Kollegen sonor und originell.Funkelnde Frauenaugen

Zum Schwärmen von alten Zeiten - den Zeiten vor der "Männer-gruppe" - passten die Songs aus den 60ern. "California Drea-min'", "When I'm 64” und "The Boxer” brachten das - größtenteils ältere - Publikum zum Mitwippen. Da machte auch das schlechte Englisch des Quintetts nichts, die Texte kennt man ja. Besonders originell: Lieder wie "Komm' bitte nicht zu mir" von der Gruppe "Ganz schön feist", und auch Eigenkompositionen von Chorchef Folz gab es zu hören. Krönender Abschluss: die Er-kenntnis der Fünf, dass "Singen eine bessere Therapie ist als Frau Wagner", das bestärkend-männliche Sauflied "Was wollen wir trinken" und der pathetische Abschied mit "Der Bajazzo", inklusive Kniefall und Händedruck. Da funkelte so manches Frauenauge entzückt. Und die Beziehungsstress-Selbstfindungstherapie konnte einpacken.

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