So platzt ein Schadstoff-Prozess

Die Schüler des Hindenburg-Gymnasiums Trier, ihre Eltern und das Kollegium müssen weiter auf die Beantwortung der Frage warten, ob im Boden der Aula tatsächlich Schadstoffe lauerten. Der Prozess vor dem Amtsgericht, in dessen Mittelpunkt diese Frage steht, ist gestern geplatzt - wegen eines "Büro-Versehens".

 Wie ein Schlag mit dem Hammer: Der Prozess um den Abbruch-Unternehmer Reinhard Ellert platzte wegen eines „Büro-Versehens“. Foto: privat

Wie ein Schlag mit dem Hammer: Der Prozess um den Abbruch-Unternehmer Reinhard Ellert platzte wegen eines „Büro-Versehens“. Foto: privat

Trier. "Ich sehe keinen Sinn darin, eine Verhandlung mit einem Rechtsanwalt zu führen, der nicht vorbereitet ist." Richter Wolf-Dietrich Strick hat von Natur aus eine tragende Stimme. Am Montagmorgen erhob er sie mehrfach. Das Ziel seines Unmuts war Rechtsanwalt Ernst-Felix Bernard.

Dieser sollte den Bauunternehmer Rainer Grünen vertreten, der zusammen mit dem Abbruchunternehmer Reinhard Ellert auf der Anklagebank saß. Ellert und Grünen haben im Herbst 2006 während Abbrucharbeiten im Boden der Aula des Hindenburg-Gymnasiums einen schwarzen Kleber gefunden.

Nachdem das Institut Koldingen, ein unabhängiges Labor im niedersächsischen Burgwedel, diesen Kleber als Schadstoff-Träger analysiert hatte, bot Ellert der Stadt die Entsorgung an. Die Verwaltung entzog ihm jedoch den Auftrag und zeigte ihn an - wegen Betrugs (der TV berichtete). Der Vorwurf: Die Probe stamme nicht aus dem Aula-Boden im HGT. Ellert habe mit dieser Fälschung ein höheres Auftrags-Volumen provozieren wollen.

Ob Ellert wirklich ein Betrüger ist, ob die Probe tatsächlich Schadstoffe nachgewiesen hat, ob die Schüler des HGT in Gefahr waren - das sollte ein Prozess klären. Doch das Verfahren platzte bereits vor dem Eintritt in die Beweisaufnahme. Es platzte, als Rechtsanwalt Bernard den Vorsitzenden Strick darauf aufmerksam machte, dass "die Ergebnisse der Hausdurchsuchungen im Rahmen der Ermittlungen in meiner Akte nicht zu finden sind".

Nicht nur die Privat- und Büroräume der Firmen Grünen und Ellert, sondern auch die Räume des Instituts Koldingen sind durchsucht worden. Die Ergebnisse umfassen mehr als 150 Seiten in der Prozessakte. Seiten, die Anwalt Bernard nie gesehen habe, behauptete er gestern vor Gericht. Als Beweis legte er seine in der Tat unvollständige Aktenvariante vor.

Dem Vorsitzenden platzte der Kragen. "Herr Anwalt, es gibt nur diese eine Akte, die mir heute auch vorliegt. In dieser Akte sind die Ergebnisse der Durchsuchungen enthalten, und diese Akte wurde Ihrer Kanzlei zur Ansicht überlassen. Ich weise mit aller Schärfe zurück, dass das Gericht Einsicht in eine unvollständige Akte gewährt hat."

Der Vorsitzende und ein sehr kleinlauter Anwalt einigten sich auf die Formulierung, die Ursache der Akten-Verwirrung sei ein "Büro-Versehen" in der Kanzlei Bernard. Der Prozess wurde unterbrochen. Ein neuer Termin ist noch nicht bekannt.

Reinhard Ellert verbarg seine Enttäuschung nicht. "Ich wollte diese Verhandlung, und ich werde auf jeden Fall aussagen. Ich bin kein Betrüger." Der öffentliche Prozess ist das Resultat seines Einspruchs gegen den Strafbefehl wegen Betruges, den er im März erhalten hat: 6000 Euro und vier Monate auf Bewährung (der TV berichtete).

Meinung

Eine totale Blamage

Weil ein Anwaltsbüro offenbar an der simplen Aufgabe scheiterte, eine Verfahrensakte vollständig zu fotokopieren, bleibt die zentrale Frage des Rechtsstreits um den schwarzen Kleber im HGT weiterhin unklar. Hatte das Institut Koldingen tatsächlich ein Fragment des Aula-Bodens unter dem Mikroskop, als es eine enorm hohe Konzentration an Krebs erregenden Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) feststellte? Oder wurde dieses Institut unwissentlich zum Komplizen eines Betrugs? Die Stadt Trier hat diese Probe mit einer eigenen gekontert, die von der Analytis Gesellschaft für Laboruntersuchungen mbH stammt. Analytis kommt zu dem Schluss, das HGT sei absolut sauber. Zwei Proben, zwei Ergebnisse, viele Fragezeichen. Der Prozess soll Antworten liefern. Ellert und Grünen wollen das Thema öffentlich machen und die widersprüchlichen Ergebnisse der beiden Analysen vor aller Augen thematisieren. Das wird im nächsten Versuch hoffentlich funktionieren - immer vorausgesetzt, das anwaltliche Kopiergerät arbeitet fehlerfrei. Eine Blamage wie diese sollte einmalig bleiben. j.pistorius@volksfreund.de

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