Sonne auf der Schattenseite des Lebens - Wie der Sozialdienst katholischer Frauen Hilfe leistet

Trier · Mit 13 schwanger. Mehrfache Mutter, die ihr Geld in den Spielhallen ausgibt. Es sind ergreifende Schicksale, mit denen es die Mitarbeiter des Sozialdienstes katholischer Frauen oft zu tun haben.

Morgens steht die Sonne so, dass die Krahnenstraße vom Licht geflutet wird. Eine heimelige Atmosphäre herrscht dann in der schmalen Gasse. Hinter den Fassaden der hübschen Stadthäuschen offenbart sich allerdings die schattige Seite des Lebens. Der Sozialdienst katholischer Frauen berät hier an mehreren Adressen Frauen in "schwierigen persönlichen Lebenslagen". Dahinter verbergen sich: sexueller Missbrauch, körperliche und seelische Gewalt, Drogen, Wohnungslosigkeit und viele andere Probleme. Häufig auch ein ganzer Cocktail daraus.

Cindy (alle Namen geändert) ist 18 Jahre alt und obdachlos. Beständigkeit hat sie nie erfahren, 15-mal ist sie bereits mit ihrer Mutter umgezogen, entweder wegen Mietschulden oder weil Mama sich mal wieder von einem ihrer vielen Freunde getrennt hat. Einer davon hat Cindy sexuell missbraucht. Die Mutter ist psychisch krank, ihren Vater kennt sie nicht. Cindy ist klug, träumt von Abitur und Studium - und ist gleichzeitig antriebslos und schnell überfordert. Sie kommt im Haus Maria Goretti unter, dem Notaufnahmeheim des SKF. Mittlerweile lebt sie in einem Zimmer in einer Wohngemeinschaft, die vom ambulanten SKF-Dienst Betreutes Wohnen für junge Volljährige betreut wird. Noch mehr Selbstständigkeit, eine eigene Wohnung für Cindy ist das Ziel der individuellen Betreuung.

Auch die Fassade des SKF-Hauses in der Krahnenstraße 32 ist schmuck. Der Gebäudekomplex auf dem 7500 Quadratmeter großen Gelände dahinter, das sich bis zur Moseluferstraße erstreckt, ist es nicht: Der Beton der Flachdachbauten aus den 1970ern ist aufgeplatzt, teilweise ragen die Stahlarmierungen durch die schwarzfleckigen Wände mit den kleinen Fenstern. Nur zwei Flachdachhäuser warten mit frischem Putz und neuen Fenstern auf. Die beiden Gebäude gehören zum ersten Bauabschnitt des Mega-Projekts, das der SKF dort umsetzt: Sechs Millionen Euro werden in die energetische Sanierung, den Ausbau und die Aufstockung der Häuser investiert. Und das bei laufendem Betrieb: Sobald ein Gebäudekomplex saniert ist, zieht eine der Beratungsstellen inklusive der Frauen, die dort betreut werden, aus ihrem bisherigen unsanierten Quartier dorthin um (siehe Info). Ein Bäumchen-Wechsel-Dich-Projekt mit kniffeliger Logistik. "Aber wir freuen uns sehr, dass wir eine so gute Lösung gefunden haben", sagt Ingrid Bergmann, Geschäftsführerin des SKF. Als sie ihren Job 2014 angetreten hat, steckten die Baupläne noch in den Kinderschuhen. "Angedacht war ein fünfstöckiger Neubau", sagt die 53-Jährige. Die Diplom-Pädagogin beauftragte stattdessen ein Gutachten - und siehe da: Anders als bis dato angenommen erwiesen sich die alten Betonbauten aus den 1970ern als sanierungsfähig.

Jessi ist 13, als sie schwanger wird. Sie kommt aus sehr schwierigen, belastenden Familienverhältnissen. Möglicherweise wurde sie vergewaltigt, äußern möchte sie sich dazu nicht. Das schwangere Kind kommt unter im Annastift, der Mutter-Kind-Einrichtung des SKF. Besuch von ihren Eltern erhält sie nicht. Trotz ihres jungen Alters kümmert sich Jessi liebevoll um ihr Baby, mit dem sie fast drei Jahre im Annastift bleibt. Schließlich hat sie den Mut für ein selbstständiges Leben, Schritt für Schritt löst sie sich von der Intensivbetreuung, macht den Hauptschulabschluss, beginnt eine Ausbildung zur Hauswirtschaftshelferin. Ihr Leben ist nun so stabil, dass sie in eine eigene Wohnung ziehen kann - zusammen mit ihrem Kind.

Auch die Kita "Haus für Kinder" war ehemals in dem Flachdachkomplex untergebracht, ist aber vor Jahren in die freigewordenen Räume der benachbarten Altenpflegeschule umgezogen. Die freigewordenen Kapazitäten will der SKF nutzen, um sein Betreuungs- und Wohnangebot für psychisch kranke Frauen um 15 Plätze aufzustocken. "Der SKF schließt damit eine Lücke, worüber wir uns sehr freuen. Denn die Psychiatrie ist nicht für alle erkrankten Frauen der richtige Platz", lobt Triers Sozialdezernentin Angelika Birk. Ein Gebäudeteil wird um eine Etage aufgestockt. "Dort wollen wir speziell wohnungslose junge Frauen aufnehmen", sagt SKF-Geschäftsführerin Bergmann. Denn im Maria-Goretti-Haus leben häufig Frauen, die oft schon jahrelange Problemzeiten hinter sich haben - nicht unbedingt der richtige Ort für Mädchen, die erst kurzfristig in eine Notlage geraten sind.

Seit vielen Jahren trägt Veronika ihr gesamtes Geld in die Spielhalle, sogar ihre Wohnungseinrichtung hat sie dafür verkauft. Der Schuldenberg ist unüberschaubar. Jetzt ist die 35-Jährige wieder schwanger. Ihre beiden Töchter, 5 und 8 Jahre alt, hat das Jugendamt bereits bei Pflegeeltern untergebracht. Kurz vor der Geburt und ohne jede Perspektive kommt Veronika zum Annastift des SKF. Dort lernt sie, die selbst in schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsen ist, eine konstante und liebevolle Beziehung zu ihrem Neugeborenen aufzubauen. Veronika beginnt, auch auf anderen Feldern an sich zu arbeiten und geht ihre Spielsucht schließlich mit einer Therapie an. Nach einigen Monaten geht ihr größter Wunsch in Erfüllung: Ihre beiden Töchter können zu ihr zurückkehren. Die Familie wird weiter intensiv vom SKF betreut, aber der Weg in die Selbstständigkeit gelingt: Nach drei Jahren ziehen Mutter, Töchter und Sohn in eine eigene Wohnung.

In Ingrid Bergmanns Büro liegt ein roter Baustellenhelm. Aber nicht immer, wenn sie mal wieder schnell runter zur Baustelle läuft, um sich mit dem technischen Bauleiter Eric Lacour, dem Architekten Heiko Simon oder den Handwerkern zu besprechen, zieht sie ihn an. "Jeden Abend muss ich mir den Baustaub aus den Haaren schütteln", lacht die Pädagogin. Und wird noch mal nachdenklich: "Es gibt Leute, die sagen, warum baut ihr ausgerechnet in feinster Trierer Wohnlage eure Einrichtungen aus. Aber ich finde, hier ist genau der richtige Platz: Viele unserer Frauen haben noch nie erlebt, dass jemand etwas Schönes, Wertvolles für sie herrichtet. Bei uns erfahren manche das erste Mal Wertschätzung - schon alleine das lässt die Frauen aufleben."Info

 Auch das Mutter-Kind-Haus wird - wie andere SKF-Einrichtungen - saniert und umgebaut. Fliesenlegermeister Albert Merz, Eric Lacour, Leiter Haustechnik beim SKF und Bauleiter, und Architekt Heiko Simon besprechen die weiteren Arbeitsschritte.

Auch das Mutter-Kind-Haus wird - wie andere SKF-Einrichtungen - saniert und umgebaut. Fliesenlegermeister Albert Merz, Eric Lacour, Leiter Haustechnik beim SKF und Bauleiter, und Architekt Heiko Simon besprechen die weiteren Arbeitsschritte.

Foto: Christiane Wolff

Der erste Bauabschnitt des 6-Millionen-Euro-Sanierungsprojekts soll Ende Juni fertig sein. In den sanierten Gebäudeteil zieht dann das Notaufnahmeheim Maria Goretti um. Das dadurch freiwerdende Gebäude wird anschließend saniert und soll bis Anfang 2018 fertig sein. In dieses Gebäude zieht dann das Mutter-Kind-Heim Annastift um. Das dadurch wiederum freiwerdende Haus wird anschließend bis Anfang 2019 so umgebaut, dass 15 neue Plätze für psychisch kranke Frauen, sechs Plätze für jugendliche Wohnungslose und 17 Plätze für obdachlose Erwachsene eingerichtet werden können.
infos: www.skf-trier.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort