Sorgen um den großen Plan

Trier · Der Flächennutzungsplan 2025 soll die Zahl der jährlich geschaffenen Wohneinheiten verdoppeln. Doch Skepsis und Ablehnung sind in manchen der betroffenen Stadtteile groß. Oberbürgermeister Klaus Jensen macht sich Sorgen.

Trier. Die Stadt braucht mehr Platz. Normal- und Geringverdiener finden kaum bezahlbaren Wohnraum, vor allem in der Innenstadt strapazieren Neubauprojekte mit Quadratmeterpreisen jenseits der 3000 Euro sowohl die Nerven als auch die Finanzplanung möglicher Interessenten.
Um Situationen wie diese zu regeln, hat die Kommunalpolitik ein sperriges Wortmonster geschaffen: den Flächennutzungsplan. Dieses Werk soll die städtebauliche Entwicklung ordnen. Ein Prozess, der zurzeit vielen politischen Leistungsträgern starke Kopfschmerzen bereitet, vor allem Oberbürgermeister Klaus Jensen ist in Sorge.
"Viele der betroffenen Bewohner nehmen die Ausweisung dringend benötigter neuer Wohngebiete mit Skepsis und offener Ablehnung auf", sagt Triers Verwaltungschef. "Dabei steht außer Frage, dass Bedarf für zusätzliche Wohnungen und für die Ausweisung auch neuer Wohnformen besteht. Die Einwohnerzahl der Stadt nimmt zu, und immer mehr junge Familien sind auf der Suche nach einem für sie geeigneten Wohnumfeld."
Ein Flächennutzungsplan regelt generell, wo die Stadt Platz für Wohnraum, Handel und Gewerbe, Verkehr und Natur reservieren will. Die Aktualisierung des Leitwerks, dessen rechtlich gültige und oft ergänzte Fassung aus dem Jahr 1982 stammt, läuft bereits seit Jahren. Den endgültigen Beschluss soll der Stadtrat noch in diesem Jahr fassen. Auf der Basis des Flächennutzungsplans 2025 will die Stadtverwaltung die aktuelle Quote von 300 neuen Wohneinheiten pro Jahr auf einen Wert zwischen 550 und 600 steigern.
Der Entwurf dieses Plans hat mit 120 Hektar Bauflächen an 25 Standorten während seiner Tournee durch die 19 Ortsbeiräte der Stadt Trier bisher immer viel Diskussionsstoff geboten. Die Sorgen des Oberbürgermeisters beruhen auf einige der Reaktionen, denn manche Stadtteilgremien signalisieren wahrhaftig keine große Freude.
"Die Stadt hat keine Zukunft, wenn wir uns dieser Herausforderung nicht stellen und Einzelinteressen mehr Bedeutung als einer Lösung des Gesamtproblems einräumen", betont OB Jensen. Selbstverständlich müssten Umweltgesichtspunkte berücksichtigt und gewürdigt werden, "aber im Hinblick auf eine Ausweisung von Wohngebieten im Grünen kann man wohnungssuchenden Menschen grundsätzlich nicht ein Recht verweigern, das man für sich selbst in Anspruch nimmt".
Dieser Wink mit dem Zaunpfahl zeigt zweifellos nach Mariahof. Dort ist das Neubaugebiet Brubacher Hof mit einer Wohnbaufläche von 27,8 Hektar enorm umstritten. Für die nächste Sitzung des Stadtrats am 19. März haben Planungsgegner aus Mariahof eine Demonstration vor dem Rathaus angekündigt.
Die beiden weiteren Wohnungsbauschwerpunkte des Flächennutzungsplans 2025 liegen in Zewen (18,8 Hektar) und Ruwer-Zentenbüsch (25,1 Hektar). Der Ortsbeirat Ruwer hat dem Planentwurf mehrheitlich zugestimmt, Mariahof und Zewen haben dagegen bereits 2013 die damaligen Entwürfe abgelehnt (der TV berichtete mehrfach).
Oberbürgermeister Jensen sieht das Thema Wohnen und vor allem den sozialen Wohnungsbau als wichtigste Konstante seiner Amtszeit in Trier. Er kämpfte in Mainz für eine Verbesserung der Förderbedingungen und überzeugte die Ratsmehrheit im Juni 2014, eine Quotierung zu beschließen. 25 Prozent der Mietwohnungen in neuen Baugebieten müssen seitdem als günstige Sozialwohnungen angeboten werden. Da das Land die Einkommensgrenzen für Berechtigte deutlich angehoben hat, sind mittlerweile auch Normalverdiener Kandidaten für geförderten Wohnraum.
"Die Nachfrage nach städtischen Wohnungen bleibt hoch", sagt Hans-Günther Lanfer vom Trierer Presseamt. "2014 gab es 365 Bewerbungen." Die städtischen Wohnungen seien notwendig für Zielgruppen, die auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt nicht versorgt werden können. Manche sind seit Jahrzehnten nicht saniert worden. Die größte Bewerbergruppe seien kinderreiche oder mit geringem Einkommen ausgestattete Familien.Meinung

Nicht vor meiner Haustür
Trier droht die Verwandlung in eine Insel der Betuchten, auf der Normal- und Geringverdiener keinen Platz mehr haben. Wer diese Einschätzung für überspitzt hält, sollte der Familie mit drei Kindern, dem Berufsanfänger oder der alleinerziehenden Mutter kurz ein Ohr leihen, die alle seit Monaten erfolglos eine für sie bezahlbare Wohnung im Stadtgebiet suchen. Trier als Olymp, die weiter entfernten Teile Landkreis als Areal für Normalsterbliche - kein schönes Bild. Die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben der Stadtverwaltung. Ihr zentrales Instrument ist der Flächennutzungsplan, und diesem scheint dasselbe Schicksal zu drohen wie der Windkraft und auch der Einrichtung eines Aufnahmeheims für Flüchtlinge. Dieses Schicksal lässt sich in vier Worten definieren: Nicht vor meiner Haustür. Eine Aufweichung und Verwässerung des Flächennutzungsplans wäre die Auswirkung dieses Haustür-Denkens. Das ist inakzeptabel. Trier darf keine Insel der Betuchten werden. j.pistorius@volksfreund.de

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