Speedys Premiere an der Uni Trier

TRIER. Anne Chérel ist eine aufgeschlossene junge Frau mit modischem Piercing. Wegen ihrer Behinderung ist sie an den Rollstuhl gebunden. Die Luxemburgerin studiert im achten Semester Pädagogik und macht bald ihr Diplom. Jetzt besuchte sie zum ersten Mal mit ihrem zweijährigen Begleithund Speedy ihre Uni.

Anne Chérel hat ohne Probleme das Einverständnis der Uni erhalten, ihren Begleithund mitbringen zu dürfen und macht ihren ersten Rundgang. Am Haupteingang hängt ein Schild: Das Mitbringen von Tieren ist verboten. Aber der schwarze Labrador Speedy stört sich nicht daran, schließlich ist er ja quasi immatrikuliert. Die vorbeischlendernden Studenten blicken neugierig auf Frauchen und Hund. Seine Funktion als Begleithund ist wegen des gelb-blauen Rückenrucksacks nicht zu übersehen. Darin befinden sich die unentbehrlichen Utensilien für ein dringendes Hundegeschäft und Anne Chérels notwendige Medikamente. Die Studentin hat bereits am ersten Tag den Eindruck, dass sie dank Speedy mehr Kontakte mit den Menschen hat als vorher ohne Hund. Natürlich wollen alle ihren Hund streicheln. Aber während der ersten sechs Monate müssen sie und ihr Hund sich intensiv aneinander gewöhnen, und deshalb darf Speedy vorerst nicht von anderen Leuten getätschelt werden. Für Speedy ist die Uni ein riesiges Entdeckungsland. Ob Cafeteria, Anschlagtafel oder Vorlesungsraum - überall erschnuppert er seine neue Umgebung. Die Diplom-Pädagogin Katrin Brandthorst hat Speedy nun in ihrer Sprechstunde und Vorlesung kennen gelernt. "Er ist ein braver und geduldiger Zuhörer", sagt sie und "deshalb kein Musterstudent, weil er zu ruhig ist", wie sie hinzufügt. Für Anne Chérel und Speedy gibt es an diesem Tag keine Probleme an der Uni. Nur einmal macht sich Speedy laut auf dem Unigelände bemerkbar. Ein Handwerker schlendert gemächlich mit einem gelben Plastikrohr vorbei. Vielleicht ging der Mann dem Hund auch zu langsam. Die Studentin muss viel mit ihrem Hund arbeiten und sprechen. Wegen der Ausbildung in einer französischen Hundeschule erfolgen alle Kommandos auf Französisch. Wenn Anne ihrem Speedy "on y va" (gehen wir), "pousse-toi" (beweg dich) oder "couche-toi" (leg dich) befiehlt, gibt es leicht erstaunte Blicke der Vorübergehenden. Die Luxemburgerin wohnt in Triers Süden, die Busverbindung zur Uni ist gut. Eigentlich müsste sie für ihren Speedy einen Kinderfahrschein lösen, aber die erste Fahrt zur Uni war für den Hund umsonst. Blindenhunde haben freie Fahrt in den Stadtbussen, was aber leider nicht für die Begleithunde gilt. Anne Chérel erzählt, wie sie einen Busfahrer um Mithilfe beim Einstieg mit dem Rollstuhl gebeten hatte. Die kurze Antwort lautete: Warten Sie auf den nächsten Bus. Ein anderes Mal wollte ein Busfahrer nur zwei von drei Rollstuhlfahrern mitnehmen, weil sonst der Durchgang im Bus versperrt wäre. Anne berichtet, wie sie auf den luxemburgischen Verband "Rahna - Hunde unterstützen Menschen im Rollstuhl" (siehe nebenstehendes Interview) aufmerksam wurde. Bei einer Veranstaltung der Organisation "Handicap International" in Luxemburg sah sie die Begleithunde, und ihr Herz "machte einen Sprung." Sie wollte schon immer einen Hund, hatte aber Bedenken wegen ihrer Behinderung und der finanziellen Belastung. Nach langer Überlegung und mehreren Kontakten mit Rahna stellte sie den Antrag für einen Begleithund. Es folgte eine persönliche Unterredung mit Anecah und Rahna bei ihr daheim, wobei über ihre Lebensumstände, ihre Wohnsituation und ihre Freizeitgestaltung diskutiert wurde. Völlig überraschend kam nach kurzer Zeit der Anruf von Rahna: "Haben Sie schon einen Hundekorb gekauft?" Es folgte ein zweiwöchiger Lehrgang an einer französischen Hundeschule in Lille. "Der Lehrgang war für Behinderte und Hunde sehr anstrengend", sagt die Luxemburgerin. Jeden Tag arbeiteten die Lehrgangs-Teilnehmer mit einem anderen Vierbeiner.Überglücklich über "Traumhund Speedy"

Dazu kamen noch schriftliche Prüfungen in allgemeiner Hundekunde und in Hundepflege sowie das Lernen der über 50 Kommandos. Jeder Teilnehmer wählt am Lehrgangsende vier Hunde für sich aus. Doch letzten Endes entscheidet ein Expertenteam, welcher Behinderte welchen Hund erhält. Anne Chérel war überglücklich, als sie ihren "Traumhund Speedy" erhielt. Sie ist dem Verband Rahna überaus dankbar, denn sie hat ihren Speedy kostenlos erhalten. "Die jetzigen Kosten für Unterhalt und Verpflegung für Speedy sind für eine Studentin schon ziemlich hoch", sagt Anne Chérel. Bei Problemen könne sie sich jederzeit an Rahna wenden. Bald steht die praktische Führerscheinprüfung vor der Tür. Anne Chérel freut sich schon jetzt auf gemeinsame Fahrten mit ihrem Speedy, auch ihr Retriever ist ein begeisterte Mitfahrer. Nach ihrem Pädagogikstudium möchte sie im Behindertenbereich arbeiten, denn - wie sie sagt - "kenne ich alle Problem der behinderten Menschen selbst am besten".

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