Spielend Sprachen lernen

TRIER. (stu) Die flächendeckende Einführung von Fremdsprachenunterricht in unteren Klassen staatlicher Schulen wird noch diskutiert. In den freien Waldorfschulen wird er schon seit über 80 Jahren praktiziert.

Kurz nach zehn Uhr in der Freien Waldorfschule Trier: Die Schulglocke läutet, die erste Klasse stürmt in den rot gestrichenen Klassenraum. Erst einmal Schuhe aus und Pantoffeln anziehen, dann beginnt der Englisch-Unterricht von Fachlehrer Paul Krämer. Malen, Singen und vor allem Hören stehen unter anderem auf dem Lehrplan. Vokabeln lernen und Grammatik pauken sind Fremdwörter für die 28 Schüler der Klasse. Im Chor schmettern sie dem Lehrer ein "Good morning" entgegen, ehe sie sich unter dessen Anleitung den Ball- oder Ratespielen widmen.Erst seit wenigen Monaten haben die Kinder den Unterricht in Englisch, der zum großen Teil auf dem Prinzip der Nachahmung beruht. Der Lehrer, der ausschließlich Englisch mit seinen Schülern spricht, gibt Verse und Reime vor, die Kinder wiederholen sie immer wieder, imitieren die englische Intonation.Schüler sollen Melodie der Fremdsprache erleben

Hans Wunsch, Klassenlehrer der achten Klasse, erläutert das Prinzip des Fremdsprachenunterrichts: "Wir wollen bei den Kindern erst einmal eine gefühlsmäßige Grundlage für die fremde Sprache schaffen. Auf dieser Grundlage können sie sich später leichter das eigentliche Wissen aneignen." In jungem Alter fiele es den Kindern noch leicht, sich in die Melodie der Fremdsprachen einzufühlen.Zur gleichen Zeit in der zweiten Klasse: Französisch-Lehrer Salam Berehsi hat alle Hände voll zu tun. Die Klasse probt einen Gast-Auftritt in einem französischen Theaterstück, das die zehnte Klasse in wenigen Tagen aufführen wird. Im Nashorn-Trab hopsen die Kinder rund um den Klassenraum."Un, deux, trois, alle Gruppen nacheinander": Fast ein wenig verzweifelt versucht Berehsi, Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Aber der spielerische Aspekt und die Bewegung helfen, Neugierde der Kinder gegenüber der Fremdsprache zu erzeugen. Die Aufgabe des Lehrers ist es, diese Neugierde zu fördern und die Spannung zu erhalten. "Die Kinder sollen aus dem Erlebnis lernen, nicht aus der Abstraktion", erklärt Berehsi. "Wir wollen keine intellektuelle Vorbereitung für den Spracherwerb bieten. Unser Ziel ist es nicht, dass die Kinder in der Sprache kommunizieren können, sondern dass sie den Geist der Sprache aufnehmen." Dieser Geist wird auf spielerische Art und Weise vermittelt.Ein wichtiger Bestandteil im Französisch-Unterricht ist der Obstkorb. Die Kinder malen die Früchte. Berehsi hat zur Anschauung auch "echte" Exemplare mitgebracht. "Wenn die Kinder etwas bildhaft vor sich haben, haben sie eher einen Bezug zu einem Gegenstand und können dadurch den französischen Namen schneller behalten", sagt er.Ab der vierten Klasse lernen die Waldorfschüler Grammatik und Vokabeln. Der Schwerpunkt liegt aber nicht auf sturem Auswendiglernen von Zeitformen oder Plural-Endungen. Vielmehr sollen die Kinder solange üben, bis sie ein Phänomen selbst verstehen und dann ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen.Zwanzig vor zwölf: Salam Berehsis Unterricht ist vorbei. Und auch, wenn er ein wenig müde ist, er ist glücklich über seinen Job. "Zu meiner Arbeit gehört es, auch mal den Kasper für die Kinder zu spielen. Aber es bringt sie dazu, mit Freude am Sprachenunterricht teilzunehmen. Und das freut mich dann wieder."

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