Sprache als Schlüssel zur Integration

TRIER. Gute Deutschkenntnisse und wirtschaftliche Teilhabe sind unumgänglich, um Migranten zu integrieren – eine der Aussagen der abgeschlossenen Vortragsreihe "Parallelgesellschaften in Deutschland – Realität oder Fiktion".

Gibt es eine Parallelgesellschaft der Ausländer, die sich nicht integrieren wollen? Wenn man den Zahlen von Dirk Halm glauben mag, heißt die Antwort eher nein. In Nordrhein-Westfalen, wo der Wissenschaftler des "Zentrums für Türkeistudien" in Essen eine Langzeituntersuchung unter türkeistämmigen Migranten durchführt, leben die meisten von ihnen in "gemischten" Wohngebieten und nutzen deutsche Vereinsangebote. Allerdings hätten 19 Prozent der Befragten "so gut wie nie" Kontakt zu Deutschen, sagt Halm. Und zunehmend viele würden sich als "gläubig" bezeichnen, da müsse man den Dialog mit dem Islam dringend im Auge behalten, so der Wissenschaftler in seinem Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Parallelgesellschaften" des Uni-Arbeitskreises (AK) "Migration und Segregation".Unterschiedliche Resonanz

Die erstmals organisierte Vortragsreihe, die von einer Fotoausstellung und einem Filmabend begleitet wurde, ist auf unterschiedliche Resonanz gestoßen. AK-Vertreterin Andrea Hense zeigt sich zufrieden. Rund 100 Zuschauer haben sich den Vortrag von Frauenrechtlerin Seyran Ates angehört (der TV berichtete). Weitaus weniger sind es aber bei den anderen Referenten - die jedoch alle mit etlichen Zuschauerfragen zum Thema "Migration" konfrontiert wurden. Ob etwa Lehrer "rassistisch" eingestellt seien, weil sie Migrantenkinder durchfallen lassen würden, will beispielsweise eine Zuhörerin wissen. Und Dietmar Martini-Emden, Leiter des Trierer Ausländeramtes - "das Zuwanderungsgesetz ist ein Einstieg in die Integration" - muss sich auf der Abschlussveranstaltung harsche Kritik anhören. "Die Mehrheit der Ausländer will sich integrieren, warum holen Sie, die Behörde, dann immer die Keule hervor?", lautete der Pauschalvorwurf eines Zuhörers hinsichtlich abgelehnter Asylbewerber in der Region. Schlechte Bildungschancen

"Der Vorwuf, die Integration leide am mangelnden Willen der Betroffenen, ist aus der Luft gegriffen", sagte Halm. Er spricht von der "Teilhabeproblematik": hohe Arbeitslosigkeit unter Ausländern und schlechte Bildungschancen für Kinder aus nichtdeutschen Kulturkreisen. Auch Ina-Beate Fohlmeister vom Interkulturellen Referat der Stadt Köln sieht "teilweise unzureichende deutsche Sprachkenntnisse und niedrige schulische Qualifikationen", die den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwerten. Referent Rainer Geißler, Professor der Universität Siegen, erinnert an eine ähnliche Diskussion in den 60er-Jahren, damals ging es um Chancen von (deutschen) Land- und Arbeiterkindern sowie Mädchen. Die schlechteren Bildungschancen der Migrantenkinder seien auf deren Zugehörigkeit zur sozialen "Unterschicht" zurückzuführen, "Deutschland ist unterschichtet", sagt der Soziologe: Die einstigen "Gastarbeiter" hätten niedere Arbeiten ohne hierfür notwendige Qualifizierungen übernommen. "Deutschdefizite strahlen zudem auf die anderen Schulfächer wie Mathematik aus", erklärt Geißler. Er spricht sich für eine Sprachförderung aus - sowohl für Kinder als auch für die Eltern, manche von ihnen würden die Schulkarriere des Kindes behindern. In die Pflicht seien auch die Schulen zu nehmen: "Die Kultur des Förderns ist unterentwickelt."

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