Sprung in eine andere Welt

Der Kreis hat das "Jahrhundertprojekt" schon angepackt, der Stadt Trier steht dies noch bevor: Die Einführung der Doppik soll das Haushaltswesen transparenter machen, doch zunächst kostet sie viel Geld und viele Überstunden.

 Ortsbürgermeister Matthias Mohn (links) und Doppikfachmann Otmar Coura mit dem alten und neuen Haushalt von Newel. TV-Foto: Albert Follmann

Ortsbürgermeister Matthias Mohn (links) und Doppikfachmann Otmar Coura mit dem alten und neuen Haushalt von Newel. TV-Foto: Albert Follmann

Trier. "Jahrhundertwerk", "Sprung in eine andere Welt". Geht es um die Einführung des neuen kaufmännischen Haushalts- und Rechnungswesens, kurz Doppik, nehmen Bürgermeister gerne Superlative in den Mund. Die Sachbearbeiter in den Amtsstuben spüren die Auswirkungen durch Mehrarbeit, Überstunden und möglicherweise Versetzungen. Die Stadt Trier plant die Umstellung von der kameralistischen auf die doppische Buchführung zum 1. Januar 2009, das ist der letzte Stichtag, den das Land zulässt.

In der Stadtverwaltung Trier wurde eigens ein Projektteam aus 50 Mitarbeitern zusammengestellt. Erfahrene Vollzeitkräfte sind aus ihren angestammten Ämtern abgezogen worden, um städtische Gebäude und Liegenschaften zu bewerten. Als Ausgleich wurden Zeitarbeitskräfte eingestellt. Personalkosten: rund 1,4 Millionen Euro. Weitere 1,3 Millionen Euro verschlingt die EDV: Eigens wegen der Doppik wurde eine neue Software eingeführt. Doch damit nicht genug: Übrige Sachkosten und Ausgaben für Schulungszwecke belasten den städtischen Etat mit weiteren 1,2 Millionen Euro. Denn damit das zusätzliche Personal auch unterkam, mussten neue Räume angemietet und Arbeitsplätze ausgestattet werden. Die Folgen sind höhere Miet- und Energiekosten für die Jahre 2006 bis 2009. Um den Mitarbeitern das kaufmännische Know-how zu vermitteln, wurde eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angeheuert.

Nach Auskunft des städtischen Presseamtes müssen für die Eröffnungsbilanz Zigtausende von Vermögenswerten erfasst werden, vom Bleistift bis zum Codex Egberti. Welche Mammutaufgabe das im Rathaus ist, belegen Zahlen: Unter anderem müssen 670 Gebäude erfasst und bewertet werden, mehr als 360 Straßenkilometer, 10 000 Flurstücke, unzählige Maschinen, Fahrzeuge und Mobiliar.

"Das Doppik-Projekt liegt im Zeitplan, kritische Verzögerungen liegen nicht vor", sagt Pressesprecher Ralf Frühauf. Oberbürgermeister Klaus Jensen werde am 28. Oktober den ersten produktbezogenen Haushalt einbringen. Zur Erstellung der Öffnungsbilanz räumt der Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. November 2009 ein. Dieser späte Zeitpunkt wurde bewusst gewählt, da viele Vermögens- und Schuldenpositionen erst nach Abschluss des letzten kameralistischen Haushaltsjahres ermittelbar sind, also 2009. Dies betrifft etwa Forderungen der Stadt, Verbindlichkeiten und einen Großteil der personenbezogenen Rückstellungen.

Um ein Jahr weiter und um einige Erfahrungen reicher mit der Doppik ist der Kreis Trier-Saarburg. Sage und schreibe 61 000 Wirtschaftsgüter musste die Kreisverwaltung erfassen. Die zeitliche Belastung der Mitarbeiter sei hoch gewesen, ebenso der Schulungsaufwand, sagt Kreis-Sprecher Thomas Müller. Ein Finanzbuchhalter wurde neu eingestellt. In den knapp neun Monaten, in denen das betriebswirtschaftliche Denken nun Einzug gehalten hat, sind laut Müller auch Vorzüge der Doppik zutage getreten, etwa ein höheres Maß an Information und Transparenz für die Entscheidungsträger. Bei der Verwendung von Kreismitteln haben man nun mehr Steuerungsmöglichkeiten als vorher; außerdem sei das Kreisvermögen aktuell abrufbar.

Am Beispiel Newel (Verbandsgemeinde Trier-Land) wird aber auch das Hauptproblem der Doppik deutlich: Die geforderten Abschreibungen von 360 000 Euro können nicht mal zur Hälfte erwirtschaftet werden. Die Folge: Das Eigenkapital wird verringert, was gleichbedeutend ist mit einem Schritt in Richtung Insolvenz. EXTRA Doppik: Doppik ist die Abkürzung für "Doppelte Buchführung in Kontenform". Der Haushalt wird nach kaufmännischen Gesichtspunkten wie in Unternehmen erstellt und arbeitet mit Erträgen und Aufwendungen. Kommunen müssen eine Eröffnungsbilanz aufstellen, in der ihr Vermögen erfasst und bewertet wird. Abnutzbare Vermögen müssen flächendeckend abgeschrieben werden, Erhaltungsaufwand und Pensionsverpflichtungen in die Planungen einbezogen werden. (alf)

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