Stete Tropfen und neue Steine

Lernen mit Open-Air-Ambiente: Das Nebengebäude der Kurfürst-Balduin-Hauptschule in Trier-West ist marode - es regnet rein, der Putz bröckelt. Die Stadt hat nun den Abriss angekündigt.

Trier. "Da muss noch ein Stein hin." Im vor ein paar Jahren generalsanierten Haupthaus der Kurfürst-Balduin-Hauptschule (KBH) arbeiten Schüler an einem Blumen-Mosaik. Projektwoche ist angesagt. Die Schule soll schöner werden. Auf dem Schulhof wird Unkraut gerupft. In einer Garage entsteht zudem eine "Schüler-Firma", die sich später unter anderem um den Pausen-Verkauf kümmern soll. Im Nebengebäude sieht es anders aus: Für die Arbeitsweltklasse II fällt der Unterricht an diesem Vormittag flach. Literweise Wasser verteilt sich im Klassenraum. Wieder mal. Der Putz reißt und bricht, die Wände sind feucht und dunkel, das Dach ist undicht. Schüler haben Papier-Boote gefaltet, die in der Lache schippern. "Bei uns braucht man das goldene Schwimmabzeichen", spottet einer der Schüler. Schwierige Schüler, schwierigere Umstände

Marc Peifer vom Bürgerservice arbeitet als Sozialarbeiter in dem Gebäude. Bürgerservice und Kurfürst-Balduin-Hauptschule arbeiten zusammen. Die Arbeitsweltklassen sind dabei Teil eines prämierten Vorzeige-Projekts ("Berufs- und Qualifizierungsprojekt"): Schwierige Schüler, die von anderen Hauptschulen abgeschrieben worden waren, erhalten eine weitere Chance - mit ordentlichen Berufsaussichten.Auch wenn sich mancher angesichts des morbiden Klassenraum-Charmes im Stich gelassen fühlt, wie ein Schüler dritter Klasse. "Die Bedingungen sind schwierig, und das schon seit Jahren", sagt Peifer. Immer wieder hätte man auf den desolaten Gebäudezustand aufmerksam gemacht. Saniert wurde aber in den vergangenen Jahren nicht, nur provisorisch ausgebessert. Siegfried Garbe ist Klassenlehrer einer der auf den Beruf vorbereitenden Arbeitsweltklassen. Garbes düstere Einschätzung: "Die Leute sind sehr engagiert. Aber die Politik hat kein Interesse an der Hauptschule." Der Trierer Schuldezernent Ulrich Holkenbrink sieht das naturgemäß anders. Die Stadt hat dabei in den vergangenen zwei Tagen mächtig aufs Tempo gedrückt. Gestern schaute sich Holkenbrink das Nebengebäude vor Ort an, zuvor waren die Bau-Experten da. "Die Probleme waren bekannt. Es wurden immer wieder Reparaturen durchgeführt. Aber nach Ansicht der Fachleute ist nichts mehr zu machen", sagt Holkenbrink. Das heißt: der marode 60er-Jahre-Bau soll abgerissen werden. Für die beiden dort beheimateten Klassen werden vorerst eine Übergangslösung, dann eine Dauerlösung gesucht. Für den Übergang wird ein Umzug in Pavillons auf dem Schulgelände ins Auge gefasst, die derzeit aber von Vereinen genutzt werden. Für die kommissarische KBH-Schulleiterin Karola Raths muss sich auch die Dauerlösung in unmittelbarer Nähe zum Hauptgebäude befinden: "Das gehört schließlich zur Schule." Meinung Späte Erkenntnis Literweise Regen im Klassenraum, feuchte Wände mit dunklen Flecken, rieselnder Putz: Jahrelang gammelte der marode Nebenbau der ansonsten gut sanierten Kurfürst-Balduin-Hauptschule vor sich hin. Ein erbärmliches Umfeld für ein erfolgreiches Projekt für schwache oder verhaltensauffällige Hauptschüler. Erst nachdem unabhängig voneinander der TV und der SWR in Trier-West recherchiert haben, kommt Bewegung rein: Schuldezernent Holkenbrink zeigt Präsenz, bietet ruckzuck Lösungsvorschläge, schaut sich auch die Situation vor Ort an. Es muss sich endlich etwas tun. Das ist eine sehr späte, aber richtige Erkenntnis. Das zeigt beispielhaft ein Problem der Hauptschulen: Sie sind nicht nur zum beliebten politischen Spielball geworden - ihnen fehlt auch die Lobby. Denn die meisten Entscheidungsträger waren selbst am Gymnasium, haben von daher einen ganz anderen Bezug zu dieser Schulform. Eine Trierer Gymnasial-Klasse, die über mehrere Jahre in einem solchen - pardon! - triefenden Drecksloch unterrichtet wird? Undenkbar. Da wären besorgte Eltern viel früher auf die Barrikaden gegangen. a.feichtner@volksfreund.de

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