"Sucht hat viel mit Suchen zu tun"

TRIER. Die Experten sind sich einig: Suchtmittel führen weg von Lebenszielen. Sie werden eingesetzt, weil die eigentlichen Bedürfnisse nicht gestillt werden. Auch Eltern und Partner müssen daher lernen, ihre Grenzen zu setzen.

Ich habe Angst, dass mein Sohn seine Ausbildungsstelle verliert. Weil er ein Drogenproblem hat, kommt er häufig zu spät oder bleibt der Arbeit fern. Ich rufe dann an und sage, dass er krank ist. Peter Behles: "Sie zeigen ein so genanntes co-abhängiges Verhalten, indem Sie helfen, die Problematik zu vertuschen. Setzen Sie ihren Sohn unter Druck, dass er ein offenes Gespräch mit seinem Arbeitgeber sucht. Von diesem großen Arbeitgeber kann man erwarten, dass er im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Mitarbeitern gegenüber ein offenes Ohr hat und Hilfe anbietet - indem Sie ihn beispielsweise an eine Beratungsstelle oder an den eigenen Sozialdienst verweisen. Häufig stecken andere Probleme hinter der Sucht." Mein Sohn ist Alkoholiker. Wir haben unser Haus jetzt auf ihn überschrieben und Angst, dass er durch seine Sucht das Haus aufs Spiel setzt. Ich bin gesundheitlich mittlerweile angeschlagen. Ingeburg Brandt: "Wichtig ist, dass Sie als Angehörige Grenzen setzen. ‚Bis hier her und nicht weiter‘. Jetzt müssen Sie an ihre Gesundheit denken. Holen Sie sich Hilfe in einer Beratungsstelle. Auch Angehörige brauchen oftmals Unterstützung und haben ein Recht auf Hilfe von Fachleuten." Meine Tochter (15) raucht schon seit zwei Jahren. Ich befürchte, dass sie in letzter Zeit härtere Drogen nimmt. Uwe Konz: "Mit dem Konsumieren von Zigaretten ist der Zugang zu einer Droge schon einmal gemacht. Raucher haben ein sieben mal höheres Risiko, zu einem Joint zu greifen als Nichtraucher. Das Inhalieren ist bekannt, die Hemmschwelle sinkt. Der Gruppenzwang und die Verfügbarkeit spielen ebenso eine wichtige Rolle. Aber auch die hohe, meist materielle Bedürfnissättigung, die Kinder heute erleben, ist ausschlaggebend. Sucht hat viel mit Suchen zu tun. Bleiben Sie im Gespräch mit ihrer Tochter. Machen Sie ihr auf einer sachlichen Ebene klar, wie Drogen wirken. Fragen Sie ihre Tochter nach ihren Zukunftszielen und machen Sie ihr verständlich, dass der Suchtmittelmissbrauch von ihren Zielen weg führt." Stimmt es wirklich, dass der Schnuller bei Kindern dazu beitragen kann, dass Süchte entstehen? Birgit Pallien: "Sie müssen sich vorstellen, das Kind lernt früh, sobald ich etwas sage, bekomme ich buchstäblich den Mund gestopft. Wenn der Schnuller zum Einschlafen verwendet wird, ist dagegen nichts einzuwenden, aber übernimmt er die Funktion eines Seelentrösters, kann auf diesem Weg ein suchtähnliches Verhalten aufgebaut werden. Der Schnuller erfüllt eine Ersatzfunktion. Denn das eigentliche Bedürfnis - beispielsweise nach Zuwendung oder Hunger - wird mit der Schnullergabe dann nicht gestillt." Kann ich etwas tun, damit meine Tochter (11) keine Drogen nehmen wird? Birgit Pallien/Carsten Lang: "Werden in jungen Jahren Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen aufgebaut, werden Konflikt- und Beziehungsfähigkeiten erlernt, sinkt die Gefahr, dass das Kind zu Drogen greift. Beispielsweise wenn Sohn oder Tochter eine Beziehungsfähigkeit entwickeln, lernen sie, dass eine Zurückweisung nicht gleichbedeutend ist mit "Du bist nicht in Ordnung". Wichtig ist auch, dass Gefühle ausgelebt werden dürfen. Und ganz entscheidend ist die Vorbildfunktion der Eltern. Welche Muster haben sie, wie gehen sie mit etwa Konfliktsituationen um? "

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