Summen jenseits von Gut und Böse

"Wir geben eine Unmenge Geld aus", sagt Bürgermeister und Sozialdezernent Georg Bernarding. Er muss mit 28 Millionen Euro den höchsten Fehlbetrag aller vier Dezernate anmelden.

Trier. Seit vier Wochen stellt der Trierische Volksfreund die finanzielle Situation der Trierer Dezernate vor. Jede einzelne dieser Bilanzen würde einen Unternehmer für immer nach Südamerika abtauchen lassen. Wer sich mit kommunalen Finanzen beschäftigt, wird automatisch zum Experten für Schulden. Die Städte und Gemeinden müssen, um handlungsfähig zu bleiben, mit Geld arbeiten, das sie nicht haben und in voller Höhe auch nie werden zurückzahlen können. Bisher sah sich der TV die Situation der Dezernate I (Personal, Finanzen, Wirtschaft, Fremdenverkehr), III (Schulen, Kultur) und IV (Bauen) an. Einer der größten Brocken bildet den Abschluss: Der Fehlbedarf des Dezernats II (Soziales, Jugend, Gesundheit, Sport, Sicherheit und Ordnung) beträgt 28 Millionen Euro. Das ist bei weitem nicht alles: Das Sonder-Budget "Sozialleistungen" bringt ein Minus in Höhe von 42,6 Millionen Euro. Die astronomische Höhe dieses Budgets kann die Stadt Trier nicht beeinflussen. "Das sind gesetzliche Pflichtaufgaben", sagt Dezernent Bernarding.Ein näherer Blick in dieses Sonderbudget macht diese Aussage deutlicher. Allein das Amt für Soziales und Wohnen, in der Rathaus-Gliederung einfach Amt 50, hat für 2008 einen Bedarf in Höhe von 25,5 Millionen Euro ermittelt. Der größte Posten mit fast elf Millionen Euro ist die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. "Das reicht von der Frühförderung bis zur psychischen Erkrankung", erklärt der Dezernent.Das Jugendamt, Amt 51, braucht neun Millionen Euro. Hier ragt die Hilfe zur Erziehung mit fast sieben Millionen Euro heraus. Dazu kommt noch die Arge mit 7,5 Millionen Euro: Längst steht fest, dass Hartz IV die Kommunen keineswegs finanziell entlastet, wie ursprünglich prognostiziert. Das Gegenteil ist der Fall.Fast 20 Millionen Euro für 467 Mitarbeiter

Auch die Summen, die dafür sorgen, dass der Betrieb läuft, sind jenseits von Gut und Böse. Zwar verzeichnet der Verwaltungshaushalt Einnahmen in Höhe von 22,5 Millionen Euro, dem stehen aber 50,6 Millionen Euro an Ausgaben gegenüber. Allein die Personalausgaben liegen bei 19,7 Millionen Euro - zu den 467 Mitarbeitern des Dezernats II gehören viele Beamte. Der zweite dicke Brocken besteht aus den Zuschüssen an freie Träger: 21 Millionen Euro fließen an Zweckverbände und andere Institutionen.Die Einnahmen seines Dezernats, so Bernarding, "sind zu vernachlässigen". Die Zuweisungen und Zuschüsse des Landes und des Bundes, Erstattungen, Gebühren, Mieten und Pachten sind "eine riesige Ansammlung kleiner und kleinster Beträge, deren Höhe wir nicht beeinflussen können". Zu diesen Beträgen gehören übrigens auch Verwarnungs- und Bußgelder. Knöllchen als lukrative Einnahmequelle? Bernarding verdreht die Augen. "Von wegen. Die Hipos kosten mehr als sie einnehmen." Glossar Vermögenshaushalt: Dieser Haushalt ist das Investitions-Verzeichnis der Kommune. Er umfasst die Projekte, in die Geld investiert wird. Der Vermögenshaushalt enthält alle Einnahmen und Ausgaben, beispielsweise Ausgaben für den Straßenbau oder Einnahmen aus dem Verkauf städtischer Grundstücke. Verwaltungshaushalt: Der Verwaltungshaushalt umfasst keine Projekte, sondern laufende wiederkehrende Kosten für Energieversorgung, Versicherungsbeiträge und Personalausgaben. Fehlbetrag/Haushaltsdefizit: Ein ausgeglichener Haushalt liegt dann vor, wenn Erträge und Aufwendungen gleich hoch sind. Ein Haushaltsdefizit (auch Fehlbetrag genannt) entsteht, wenn die Aufwendungen die Erträge übersteigen. Die meisten Städte und Gemeinden müssen Defizite vermelden. Im umgekehrten Fall spricht man von einem Haushaltsüberschuss. Genau genommen ist ein defizitärer Haushalt nicht gesetzeskonform. Doch eine strenge Verfolgung vonseiten des Gesetzgebers würde die ohnehin kaum noch vorhandene kommunale Selbstverwaltung endgültig zum Erliegen bringen. Kameralistik: Kameralistik ist ein Verfahren der Buchführung. Im Gegensatz zur Doppik, der kaufmännischen doppelten Buchführung in Konten Soll und Haben, werden bei der Kameralistik Einnahmen und Ausgaben betrachtet, jedoch nicht die Erträge und Aufwendungen. Doppik: Mit der doppelten Buchführung in Konten wird die kaufmännische Buchführung auch in der Verwaltung eingeführt. Die Doppik ersetzt die Kameralistik. Die Stadt Trier wird dieses System ab 2009 einsetzen. (fun/jp)

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