Täglich grüßt der Tod

TRIER. Seit sechs Jahren ist der Keller des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder sein Arbeitsplatz: Engelbert Reimold ist Obduktionsassistent in der Pathologie.

Zu seinem Beruf kam Engelbert Reimold eher zufällig. Der gelernte Krankenpfleger arbeitete bis vor sechs Jahren als Pfleger in der Operationsabteilung, doch aufgrund gesundheitlicher Probleme konnte er den Beruf nicht mehr ausüben. "Ich war zu jung für die Rente, aber auch zu alt, um noch mal etwas ganz Neues zu lernen. Da wurde mir vom Krankenhaus mitgeteilt, dass die Stelle als Obduktionsassistent frei würde", so schildert er die Situation von damals. Eine Voraussetzung für Reimold, dass er sich für diesen ungewöhnlichen Arbeitsplatz entschied, war der geplante Umbau der Kellerräume im Krankenhaus. Seit diesen Tagen steht er häufiger als 100 Mal im Jahr am Seziertisch und hilft dem Arzt bei der Obduktion. Die Arbeit ist mit der im OP zu vergleichen: Zu Reimolds Aufgaben gehört es, dass er die Instrumente anreicht und darauf achtet, dass die Hygiene eingehalten wird. Im Grunde gehe es zu wie bei einer normalen Operation, der Unterschied bestehe lediglich darin, dass derjenige eben schon gestorben sei, erzählt Reimold. Wichtig sei für ihn, dass die Würde des Verstorbenen im Mittelpunkt stehe. "Die Angehörigen haben oft Angst, man würde nicht würdevoll mit dem Verstorbenen umgehen", weiß er aus Erfahrung zu berichten. Um ihnen dieses Gefühl zu nehmen, ist der Kontakt mit den Hinterbliebenen eine wichtige Aufgabe in der Arbeit von Reimold. Das negative Bild und auch die Vorurteile seien oft auf die Schilderung von Obduktionen im Fernsehen, wie etwa in Krimis, zurückzuführen. Dass viele Menschen erst mal den Kopf schütteln, wenn sie erfahren, womit er sein Geld verdient, stört ihn nicht. "Doch ich hänge den Beruf nicht an die große Glocke. Es gibt Tage, da geht mir die Arbeit schon an die Nieren", erzählt er, dann brauche auch er manchmal Unterstützung und suche das Gespräch mit Vertrauten. Aber eins versichert er: "Abgestumpft bin ich in all den Jahren nicht." Seine Arbeit findet allerdings nicht nur am Seziertisch statt. In den Räumen im Kellergeschoss haben die Angehörigen auch Gelegenheit, sich in würdevoller Weise von den Verstorbenen zu verabschieden. Zwei kleine Räume haben die Brüder bereitgestellt. Durch die Buntglasfenster und die Kerzen hat man das Empfinden, man befinde sich in einer Kapelle. "Hier haben die Angehörigen nicht das Gefühl, dass sie sich im Keller befinden", erklärt Reimold und fügt hinzu: "Eine Leichenhalle im herkömmlichen Sinne gibt es hier nicht, die Zeiten sind zum Glück vorbei." Mittlerweile hat Engelbert Reimold Einblick in andere Kulturen und Religionen. Insbesondere Muslime und Angehörige des jüdischen Glaubens nutzen die Räume im Brüderkrankenhaus für traditionelle Totenwaschungen. "Zu manchen Gemeindevorstehern hat sich fast eine Freundschaft entwickelt", berichtet er. Was ihm gut tut, ist die Resonanz von Angehörigen. "Es kommt manchmal vor, dass sich die Angehörigen nach ein paar Tagen oder Wochen noch einmal melden und sich bedanken, das baut mich auf."

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