Tierischer Gorilla-Schock

TRIER. Was schert echte Narren die Kälte? Man kann sich doch warm singen und tanzen! 100 000 Zuschauer feierten gestern in Trier bei eisigen Temperaturen heißen Straßenkarneval.

Sogar der Straßenhändler in der Simeonstraße ist auf Karneval eingestellt: Zwischen den üblichen Modeschmuck-Armbändchen, -Ketten und -Ohrringen an seinem Stand liegen am Montagmittag Schmink-Stifte und Tuben mit Glitzer-Gel.Viele der 100 000 Zuschauer, die den Weg des Umzugs säumen, brauchen diese Utensilien allerdings nicht: Sie haben sich schon zu Hause in Clowns oder Cowboys, Prinzessinnen oder Piraten verwandelt - oder sich zumindest, wie CDU-OB-Kandidat Ulrich Holkenbrink, rote Herzchen auf die Wangen gemalt. Die Stimmung ist gut, schon die ersten der 90 Gruppen bringen die Menge zum Schunkeln und Jubeln. Da ist zum Beispiel das "Palzer Affentheater", auf dessen Wagen "Gorillas" an den Käfigstäben rütteln - so täuschend echt, dass ein Hund, der es sich mit Herrchen und Frauchen an einem Fenster im ersten Stock bequem gemacht hatte, erschrocken aufspringt und auf Nimmerwiedersehen verschwindet.

Schnecken und Wecker ziehen an den Zuschauern vorüber, ein Drachen, der Feuer speit und mit roten Augen blinkt, der grippekranke Bundesadler, Steinzeitmenschen, Erdbeeren und Bienen. Und dazwischen immer wieder Garden und Musikvereine: Die Eurener Kobengardisten etwa sind mit von der Partie, die Majoretten aus Trier-Süd, die Pfalzeler Gardekinder, die Winzerkapelle aus Piesport oder die Stadtgarde Augusta Treverorum. Und um die närrische Beschallung perfekt zu machen, dringen aus Lautsprechern auf den Motivwagen alte Fastnachtsschlager wie "Rucki-Zucki" oder "D'as Foasenicht". Und hin und wieder auch ein neuer: "Du hast die Haare schön!" Der Akkordeonspieler im Eingang eines Schuhladens in der Brotstraße jedenfalls gibt schon während des ersten der elf Zugblöcke auf, setzt sein Instrument ab und widmet sich fortan einem Becher Bier.

Damit gehört er zu den Bescheidenen an diesem Tag: Andere haben sich ganze Alkohol-Vorräte mitgebracht. Eine Gruppe Jugendlicher tanzt in der Brotstraße um zwei Kisten Bier-Mixgetränke sowie einige Flaschen Sekt und Alkopops herum, einige Meter weiter steht ein Einkaufswagen, prall gefüllt mit Bier und Knabbereien.

Auf dem Hauptmarkt blickt Stadtpatron Petrus wohlwollend auf Indianer, Pinguine und Wikinger herab, die den Gästen auf der Ehrentribüne ihre Aufwartung machen - die Blumen, mit denen Prinzessin Gabi I. am Fetten Donnerstag bei ihm buchstäblich "um gut Wetter angehalten" hat, fest im Arm. Ob er geholfen hat? Wie man's nimmt. Etwa eine Stunde lang schien den Narren die Sonne, dann begann es in dicken Flocken zu schneien. Doch Schnee lässt sich ja abklopfen, und gegen die Kälte hatten sich Zuschauer wie Aktive ohnehin gewappnet. Die Trierer Weinkönigin Tanja etwa saß in Jeans und Anorak auf ihrem Thron.

Eimer für Bonbons abgeseilt

Majestätischer ging es auf dem Prinzenwagen zu: Niki I. und Gabi I. genossen den Höhepunkt ihrer Regentschaft in vollem Ornat und ebensolchen Zügen und bedachten ihre Untertanen mit allem, was die herrschaftlichen Wurfgut-Vorräte hergaben. Der eine oder andere Zuschauer entwickelte viel Phantasie, um in den Genuss von Popcorn, Bonbons, Tulpen und Co. zu gelangen: In der Brotstraße seilten junge Leute aus dem dritten Stock einen Eimer ab.

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