Tom muss ausziehen

PALLIEN/BIEWER. Ende einer alternativen Lebensform: Die vier Waldbewohner im Forst zwischen Pallien und Biewer müssen bis zum 10. August ihre selber gebauten Hütten verlassen. Gestern hat die Stadt Abfallcontainer zu den Behausungen gebracht.

In einen Container sollen die Waldbewohner die Überbleibsel ihres Daseins entsorgen. Um die Dinge, von denen sie sich nicht trennen wollen - und die gleichzeitig tragbar sind - einzupacken, haben sie noch bis nächsten Mittwoch Zeit. Dann beginnt die Stadt mit dem Abriss der selber gebauten Hütten im Wald zwischen Weisshaus und Fichtenberg. Alles, was bis dahin nicht im Container gelandet oder von den Obdachlosen in Sicherheit gebracht worden ist, wird dann von städtischer Seite entsorgt. "Von kurzfristiger Räumung kann keine Rede sein", sagt Revierförsterin Kerstin Bendiks. "Im Februar hat das Ordnungsamt die Menschen per Brief darauf hingewiesen, dass ihre Behausungen und ihr Wohnen illegal sind und sie gegen bestehende Gesetze verstoßen." Schon damals sei der 10. August als letzter Räumungstermin angesetzt worden. Die Obdachlosen leben teilweise seit Jahren in dem Waldgebiet (der TV berichtete), seit Jahrzehnten duldet die Stadt die ungewöhnlichen Bleiben und ihre wechselnden Bewohner. "Als Försterin bin ich vom Gesetz gehalten, solche Waldbehausungen weder zu Stande kommen zu lassen, noch, sie zu dulden", sagt Bendiks, die Anfang des Jahres die Leitung des Forstreviers Weisshaus/Pfalzel übernommen hat. Waldbrandgefahr und andere Gefahren seien zu groß. "Wenn etwas passiert - etwa ein Baum umfällt und einen der Bewohner verletzt - kann ich persönlich dafür haftbar gemacht werden", erklärt Bendiks. "Von Gruppen, die mal eben so im Wald grillen oder von weggeworfenen Zigaretten oder Glas, das im Wald herum liegt, geht mit Sicherheit eine viel größere Waldbrandgefahr aus, als von den Obdachlosen", wendet Raimund Ackermann vom Verein Obdachlosenhilfe Streetwork ein. "Die Bewohner sind mit der Natur vertraut und haben größtes Interesse daran, dass ihre Behausungen nicht abbrennen", sagt der Streetworker, der zur Zeit mit Windpocken im Bett liegt und "seinen" Jungs nicht dabei helfen kann, ihre persönlichen Dinge wegzuschaffen. Einer von ihnen ist Tom Schmidt, der sich ganz bewusst für das Leben im städtischen Wald entscheiden hat. Der gelernte Kraftfahrer hat den gesellschaftlichen Zwängen eine Absage erteilt und lebt seit etwa 18 Monaten in einer selbst aufgebauten Hütte auf einem idyllischen Plateau mitten im Wald. Aus Müll, den er dort findet, macht er Kunstwerke, baut Skulpturen und malt. "Ich bin nicht obdachlos, sondern wohnungslos"

"Ich bin nicht obdachlos, sondern wohnungslos", sagt er. "Ein Obdach habe ich mir hier doch schon gebaut. Und das mache ich auch wieder." Nur wo, das weiß er noch nicht. Fest steht für ihn jedenfalls, dass er auch weiterhin im Wald leben möchte, da "wo ich meine Ruhe habe". Nun muss Tom seine sieben Sachen packen. Er verstaut er schon einmal das, was ihm "besonders wichtig ist", bevor es in einem der roten Container landet. Leicht fällt die Räumung wohl auch Revierförsterin Bendiks nicht. In einem Brief hat sie den Obdachlosen angeboten, ihnen bei der Suche nach einer neuen Bleibe zu helfen - in einer städtischen Wohnung oder im Wohnheim Benedikt-Labré. "Ich habe den Leuten angeboten, sie und ihr Hab und Gut mit meinem Auto abzuholen", sagt Bendiks. Angenommen habe ihr Angebot jedoch niemand.Wie ist Ihre Meinung zum Thema? Schreiben Sie uns. Ihre Zuschrift sollte maximal 30 Zeilen à 30 Anschläge lang sein und bis heute, 14 Uhr, vorliegen. Fax: 7199439; E-Mail: echo@volksfreund.de

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