Toms Hütte existiert nicht mehr

TRIER. Im Sommer sorgte er für Gesprächsstoff und für viele Leserbriefe: Der Obdachlose Tom, der gemäß städtischer Forderung seine selbst gebaute Hütte im Stadtwald räumen musste (der TV berichtete). Vergangene Woche schuf die Stadt Fakten und machte Toms Hütte unbewohnbar.

Bei zwei Grad plus und grauen Nebelfeldern sieht die Waldlichtung kurz vor dem Ortseingang von Biewer schon ganz anders aus als im August. Damals wohnte dort Tom, ein Entwurzelter aus der ehemaligen DDR, in einem künstlerisch gefertigten Rundbau in der Nähe der Sandsteinfelsen. Mit fließendem Wasser aus einer Regenwasseranlage und Kompost-Toilette - auf einem mit Bäumen und Adlerfarn zugewachsenen Gelände, das gepflegter als manche Parkanlage wirkte.Aus Sorge vor Waldbrand

Aus haftungsrechtlichen Gründen und aus Sorge vor Waldbrand gab es Verfügungen für Tom und weitere Obdachlose, die Lager aufzulösen. Die Männer, die auf städtischem Grund lebten, zogen um. Ein anderer blieb. Er wohnt seit 13 Jahren in der Felsenwand kurz vor Pallien, auf einem Grundstück der Vereinigten Hospitien. Am Dienstag rückten Waldarbeiter und die Revierförsterin Kerstin Bendiks an. Nach "freundlichen Worten" (Tom) schufen die Motorsägen Fakten. Eigens gefällte Bäume begruben die Hütte unter sich. "Das Fällen der Bäume geschah nicht aus dem besonderen Grund, die Hütte unbewohnbar zu machen", erklärt der städtische Pressesprecher Jürgen Backes. "Sie hingen nur quer drüber und hatten keinen Wachstumswert." Tom hätte unter Zeugenaussagen bestätigt, dass in der Hütte nichts mehr drin wäre. Das Material wäre grob sortiert worden. "Wir werden den Rest entsorgen oder lassen es verrotten", meint Backes. So, wie sich das Gelände rund um Toms ehemaliges Domizil jetzt präsentiert, ist es alles andere als ein Schmuckstück im Stadtwald. Aus der zerstörten Hütte ragen Holz und Bauutensilien wie Blech und Plastik. Überall auf dem Gelände liegen Habseligkeiten von Tom: Eine Decke, selbst geschnitzte Sitzmöbel, ein Schaukelstuhl. In Absprache mit dem Forstrevier will er die Dinge nach und nach in seine neue Heimstätte bringen und nutzen. "Ich habe die Sachen ja hierhin gebracht, dann werde ich sie auch wieder fortbringen", sagt Tom. Wo er jetzt wohnt, will er nicht öffentlich nennen: "Ich möchte keine schlafenden Hunde wecken und ja nur meine Ruhe haben." Nach wie vor lebe er unter weitgehendem Verzicht auf Geld. Ein Dach habe er über dem Kopf, die Unterkunft sei zwar nicht besonders warm, aber winterfest. So "luxuriös" und künstlerisch wie seine alte Hütte sei die neue nicht. "Es ist nur ein Provisorium", meint Tom. Denn er hoffe, dass irgendein Mensch ihm ein Gelände zur Verfügung stellt, auf dem er noch einmal eine Hütte unter künstlerischen Aspekten errichten darf - ohne ständig in der Sorge zu leben, wieder vertrieben zu werden. Ausgestiegen vor zehn Jahren

"Wenn ich nicht mehr bin, kann die Hütte ja stehen bleiben und besichtigt werden", sagt der Mann mit den langen, angegrauten Locken. Und er meint es trotz seines Alters ernst. 45 Jahre wird er in diesen Tagen alt. Für einen Obdachlosen, der vor zehn Jahren ausgestiegen ist, nicht wenig. "Hoffentlich vergesse ich meinen Geburtstag", sagt Tom.Wie ist Ihre Meinung zum Thema? Schreiben Sie uns. Ihre Zuschrift sollte maximal 30 Zeilen à 30 Anschläge lang sein und bis heute, 14 Uhr, vorliegen. Fax: 7199439; E-Mail: echo@volksfreund.de

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