Toms Hütte wackelt

PALLIEN/BIEWER. Im Stadtgebiet von Trier leben schätzungsweise 25 Obdachlose. Einer von ihnen ist Tom. Er hat sich, versteckt im Stadtwald, eine skurrile Behausung aus Holz und Sperrmüll gezimmert. Dort wohnt er unter annähernd zivilen Bedingungen. Die Stadt will sein Lager und das von drei weiteren Obdachlosen räumen.

Der Mann ist ein Aussteiger. Einer, der in Einklang mit der Natur leben möchte, naturalistisch-religiösen Idealen nachhängt. Tom lebt seit 18 Monaten in einem Rundbau aus Naturmaterialien und Sperrmüll, mit Kompostklo, Solarzellen und fließendem Wasser mitten im Wald. "Ich brauche kein Geld, ich will keinen Druck von der Gesellschaft, sie hat mich heraus gedrängt", sprudelt es aus ihm heraus. Sich selbst bezeichnet Tom als Künstler. Tatsächlich füllen die Fotografien von seinen bunten Öl-, Acryl- und Lackgemälden im Fantasy- und Flower-Power-Stil zwei dicke Bände. Kunstvoll auch das Bauwerk, das Tom im Wald zwischen Biewer und Pallien errichtete.Trinkwasser aus der Quelle

Ein Porzellanwaschbecken hängt an der Wand, die aus Stämmen, Dämmmaterial und Sperrholz besteht. Dreht Tom den Hahn neben dem Seifenspender auf, fließt gesammeltes Regenwasser heraus - Trinkwasser gibt es gratis von einer Quelle. Ein Gaskocher mit akkurat aufgestellten Gewürzdosen, Hausrat, ein nostalgischer Bullerofen mit Ofenrohr ("davon geht keine Waldbrandgefahr aus, hat mir mal ein Feuerwehrmann gesagt"), ein solarbetriebenes Radio, die zweite Etage als Schlafkoje sind in dem schummrigen Inneren der Hütte auszumachen. Erhellt durch ein paar eingepasste Scheiben, an deren Verschönerung Tom zurzeit arbeitet: mosaikartig zusammengeklebte Glassteine, die an ein Kirchenfenster erinnern. Geschnitzte Figuren und selbst behauene Sitzmöbel runden das Ensemble ab. Tom ist ein Entwurzelter aus der ehemaligen DDR. Seit zehn Jahren lebt er in Trier, zeitweise in einem Wohnwagen. Nahrungsmittel, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, bekommt er von Supermärkten, den Müll entsorgt er bei seiner Freundin, die eine feste Bleibe hat. Ob von ihm irgendeine Störung im Wald ausgeht? "Kann ich mir nicht vorstellen", sagt er achselzuckend. Das sieht man bei der Stadt allerdings anders. Eine bauliche Anlage, die ohne Genehmigung errichtet wurde, und Waldbrandgefahr von offenen Feuerstellen sind die Gründe, wegen derer Tom und seine drei Nachbarn weg sollen - einer von ihnen wird bereits seit 13 Jahren in seiner Behausung geduldet. Dass dieser Zustand nun ein Ende findet, hängt offenbar mit dem Amtsantritt der neuen Revierförsterin Kerstin Bendiks zusammen, die nach Begehung ihres Reviers auf die Obdachlosen aufmerksam wurde. "Es ist verständlich, dass sie etwas dagegen unternehmen muss, bevor etwas passiert", sagt Stadtratsmitglied Lydia Hepke (Bündnis 90/Die Grünen). Allerdings wäre es Hepke lieber gewesen, "wenn man die Obdachlosen weiter still geduldet hätte". Der Wirtschaftsausschuss behandelte das Thema bereits in nichtöffentlicher Sitzung. "Das Obdachlosenlager soll aufgelöst werden", bestätigt Stadtpressesprecher Ralf Frühauf. Alternativen gebe es in städtischen Wohnungen oder dem Benedikt-Labré-Haus - obwohl auch die Stadt weiß, dass "für diese Menschen vorhandene Hilfsangebote zur Sesshaftmachung nicht angenommen werden". Was dann aus Tom und den anderen wird, ist fraglich. "Mich kriegt keiner in ein Heim, ich will so leben wie hier", sagt er entschlossen. "Es muss doch auch Gebiete geben, wo solche Leute wohnen dürfen", fordert Hepke.

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