Traditionskunst vom Eisenbändiger

TRIER-SÜD. Von winzigen Figuren bis zu meterhohen Toren, vom handtellergroßen Kreuz bis zur mächtigen Dachkrone: Die kleine rußgeschwärzte Unterrainer-Werkstatt in der Matthiasstraße hat in gut 50 fruchtbaren Jahren jede Art metallener Zeitzeugen auf die Welt gebracht. Bis nach Jerusalem und Saudi-Arabien sind die Kunstwerke gereist, doch viele Feuerkinder stehen noch mitten in Trier.

 Keine Angst vor heißem Eisen: Kunstschmied Klaus Unterrainer hat schon als Drei-Käse-Hoch in der Schmiede des Vaters gespielt - und kann sich bis heute beruflich nichts Schöneres vorstellen.Foto: Regina Lüders

Keine Angst vor heißem Eisen: Kunstschmied Klaus Unterrainer hat schon als Drei-Käse-Hoch in der Schmiede des Vaters gespielt - und kann sich bis heute beruflich nichts Schöneres vorstellen.Foto: Regina Lüders

Funken sprühen weit um die wiehernde Metallsäge. Der holzige Duft offenen Feuers liegt in der kalten Luft in der dunkel-gelb beleuchteten Werkhalle. Klaus Unterrainer schreitet die lange Reihe selbst gehauener Zangen über dem eingelassenen Schmiedeofen ab, streift über die dunklen brandversiegelten Stäbe. Drei Metallbauer und ein Auszubildender schlagen und biegen im eng gefüllten Arbeitssaal die härtesten Metalle nach den Entwürfen des Meisters. Am Ende steht martialisch starke Kunst, die urwüchsig wirkt, doch nicht selten ganz unerwartet zarte Blüten treibt: Daumendicke Gitterstäbe, die sich, lässig gewunden, als verwunschen anmutendes Tor wiederfinden, lehnen an der rußgeschwärzten Wand. Ein federloser Schwan aus Stahl sitzt unterm Kreuz und neben unzähligen anderen Werken auf Unterrainers überbreiter Fensterbank. "Es ist ein absolut abwechslungsreicher Beruf", sagt der Mann mit sanfter Stimme. Die Augen zusammengekniffen, schaut er - nur kurz - auf ein kleines gezacktes Foto: In Schwarz-Weiß steht sein Vater Emil mit wehendem Haar auf dem Dach des Kurfürstlichen Palais, installiert die goldene Bekrönung. Von Kindesbeinen an steht Klaus neben ihm: "Mein Vater wollte, dass ich weiter zur Schule gehe. Aber ich wollte nie etwas anderes als Schmied werden." Und so kam es: Nach seiner Lehrzeit an den Wurzeln der Schmiedefamilie in Österreich hat Klaus Unterrainer vor fast 20 Jahren die Werkstatt vom Vater übernommen. Über die ganze Stadt verteilt, erinnern seine Insignien schon heute an den 45-Jährigen: Alle romanischen Gitter im Trierer Dom, Balkonbrüstung und goldene Wappenkrone des Palais Walderdorff, die goldene Muschel über der Eingangstür der ältesten deutschen Apotheke auf dem Hauptmarkt, die riesige Toranlage der Abtei St. Matthias, eiserne Beschläge für alle Türen des Schloss Monaise, Diözesanmuseum, Jesuitenkirche, Mutterhaus, die eiserne Plastik an der Kunstakademie. Wer durch Triers Straßen streift, findet noch viel mehr metallene Grüße aus der Schmiede. Besonders stolz ist der bärtige Mann mit den großen Händen auf ein schlichtes, mächtiges Tor, das mitten in der Trierer Innenstadt im barocken Postgebäude steckt: ein auftragsmäßiger Stilbruch, denn die Postler wollten keine epochalen Schnörkel. "Gewaltigkeit und Harmonie" verkörpere die Komposition sagt der Künstler, in dessen Ablagen Stapel hauchdünner Papiere voller zarter Entwurfszeichnungen lagern. Dass das tonnenschwere Tor dennoch passt, sei der Idee zu verdanken, die Fassadenaufsätze in Stahl weiter zu gießen.Acht Schmiedemeister in der Familie

Unterrainer-Kunstwerke hat es bis nach Koblenz und Köln verschlagen oder als Restauration bis ins Luxemburger Parlament. Eine Vergitterung aus der Trierer Kunstschmiede beschützt eine Madonna in Jerusalem, und in Arabien machen einige Saudis ihre Türen heute mit Unterrainers Griffen auf. Möglichst wenig schweißen und löten und mehr zum alten Niet oder zur Schraube greifen heißt die Maxime für die Männer. "Nichts kann unsere Handarbeit letztendlich ersetzen", ist sich Klaus Unterrainer sicher. Da hätte es ihn gefreut, wenn auch Sohn oder Tochter ihr Herz fürs Kunsthandwerk hätten schlagen hören. Acht Schmiedemeister habe es in der Familie gegeben. Noch hat der Vollblutschmied die Hoffnung nicht ganz aufgegeben: "Auch meine Schwester hat nach Ausbildung und Studium noch mal umgesattelt- und das Schmieden gelernt", sagt er lachend.

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