Träumen ohne Barrieren

TRIER. Wahlworkshop mit Modellcharakter - Studierende der Fachhochschule haben Entwürfe für barrierefreie Ferienhäuser erarbeitet. Die Modelle entstanden in Kooperation mit dem Trierer Behindertenforum und wurden jetzt präsentiert.

Versteckt in einem Meer aus Blumen steht Marion Remys Ferienhaus. Hier in der Provence, inmitten wohl riechender Kräuter, logiert sie in den freien Wochen des Jahres. Im knallbunten Interieur ihres Urlaubsdomizils lässt es sich die dreifache Mutter gut gehen. Soweit der Traum der Triererin. Dünne weiße Wände, kreuzförmiger Grundriss - Annekathrin Haschert fährt mit ihrer rechten Hand über das Ferienhaus. Kräftige Farben dominieren das Innere des Gebäudes, geknetete Möbel geben eine Vorstellung von der möglichen Ausstattung. Im Zentrum des Anwesens: Eine Wohlfühlecke samt Kräuterstraße. Soweit das Modell der Innenarchitekturstudentin, entstanden im Wahlworkshop "Living in a box" der Fachhochschule. Fünf Studierende der Innenarchitektur entwarfen in den vergangenen Monaten Ideen für barrierefreie Ferienhäuser. Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen ein optimales Domizil zu schaffen - das verlangt mehr als nur zeichnerisches Geschick und gut gemeinte Kreativität. So mussten die angehenden Innenarchitekten sich in die individuelle Situation der möglichen Hauseigentümer hineinversetzen. Für Annekathrin Haschert bedeutete dies, einen Tag lang nachempfinden, wie es sein muss, fast nichts zu sehen. Denn Marion Remy leidet an einer schweren Netzhauterkrankung und ist nahezu blind. "Kräftige Farben kann ich noch erkennen, sie bieten mir Orientierung", beschreibt sie. Für die angehende Innenarchitektin ein Ansatz, wie sie die Vorstellungen ihrer Tandem-Partnerin vom Behindertenforum umsetzen könnte.Rot regt zum Handeln an

Entsprechend farbenfroh präsentiert sich das Modell von Annekathrin Haschert, für das sie ein Farbkonzept entwickelte, in das Marion Remys Lieblingsfarben einflossen. Beispiel Rot: "Diese Farbe regt den Körper zu direktem Handeln an und wirkt stimulierend", erläutert die Studentin. So hat sie Rot für das Arbeitszimmer vorgesehen. Um der stark sehbehinderten "Kundin" eine Vorstellung ihres Entwurfs zu geben, hat sie in den verschiedenen Farben Möbel en miniature geknetet. Marion Remy kann so das Modell ihres Traumferienhauses ertasten. Ähnlich sind auch die Kommilitoninnen Annika Münzer und Claudia Thiere vorgegangen, die sich ebenfalls dem barrierefreien Bauen für Sehbehinderte und Blinde gewidmet haben. "So gefällt mir das sehr gut", lobt Albert Schtschepik den Entwurf von Annika Münzer. Schtschepik erblindete im Alter von 25 Jahren, jetzt tastet er Annika Münzers Modell. Überhaupt lebt die Präsentation der Arbeiten vom direkten Austausch mit den Tandem-Partnern vom Behindertenforum. Claudia Thiere weiß nicht nur um die richtige Raumaufteilung, sondern hat auch gleich die optimalen Bodenbeläge und Tapeten ausgesucht. Ein wichtiges Kriterium: Das Material muss sich leicht reinigen lassen. Markus Klesen und Malte Bredemann haben ein Ferienhaus für Gehbehinderte geschaffen. Von den optimalen Möbeln, die allesamt nicht höher als 1,60 Meter und zum Teil unterfahrbar sind, bis zum Bodenbelag ohne Rollwiderstand ist an alles gedacht. Auch Raum zum Rangieren haben die Studenten für "ihren" Rolli eingeplant. "Sämtliche Entwürfe sind realistisch und lassen sich umsetzen", lobte Projektleiterin Sandra Grimm die Arbeiten. Die Diplom-Ingenieurin von der Fachhochschule Coburg ist davon überzeugt, "dass der Workshop auch Barrieren in den Köpfen beseitigt hat".

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