Keine Anstiftung zum Missbrauch: Bundesgerichtshof spricht Angeklagte von Einzeltat frei – Landgericht senkt Gesamtstrafe

Trier · Weil der Bundesgerichtshof ein Urteil des Trierer Landgerichts revidiert hat, musste die zweite große Jugendkammer gestern erneut verhandeln. Ergebnis: Die Haftstrafe des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Babys und Besitzes von kinderpornografischen Bildern wurde um drei Monate reduziert.

Seine Zelle in der Justizvollzugsanstalt Trier verlasse er nur noch zur Nahrungsaufnahme, berichtet der Angeklagte vor der zweiten großen Jugendkammer des Trierer Landgerichts. "Es ist viel schlimmer im Gefängnis, als ich es mir je hätte ausmalen können." Die Isolation hat ihm nicht die Gefängnisleitung auferlegt. Der Angeklagte will es nicht anders. Aus Selbstschutz. Denn schlimmer als die Einsamkeit ist das, was die Mithäftlinge mit ihm anstellen, wenn sie ihn denn zu fassen bekommen.
Der 56-Jährige ist ein verurteilter Kinderschänder. Und ist laut seinem Verteidiger im Gefängnis bereits etliche Male von seinen Mithäftlingen vergewaltigt worden. "Insbesondere in den Gemeinschaftsduschen, die es in unseren Haftanstalten leider immer noch gibt, sind Kinderschänder der sexuellen Gewalt der anderen ausgeliefert", berichtet Rechtsanwalt Rüdiger Weidhaus in einer Verhandlungspause. Richterin Petra Schmitz bestätigt bei der Urteilsverkündung, dass Kinderschänder in Gefängnissen "ganz unten in der Hierarchie stehen", und glaubt dem Täter offenbar auch, dass er das "schon am eigenen Leib zu spüren bekommen hat".

Mitleid mit dem Pfälzer zu haben, fällt trotzdem mehr als schwer: Keine drei Monate alt war der Säugling, an dem sich der Mann vergangen hat. Die in Trier lebende Mutter des Kindes war nur eine von etlichen Frauen, mit denen der Angeklagte seine weit über die Normen hinausgehenden sexuellen Vorlieben - unter anderem Sodomie und Fäkalsex - auslebte. Ihr Baby hatte sie zu einem der Treffen im Herbst 2007 mitgebracht. Die Vergewaltigungsversuche des Angeklagten scheiterten offenbar nur daran, dass der Junge noch viel zu klein war. Die Mutter, die selbst zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war, hielt die Tat fotografisch fest.
Für den Missbrauch des Jungens hatte das Trierer Landgericht im Sommer 2013 den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Wegen des Besitzes und der Weitergabe kinderpornografischer Bilder war der Mann zu weiteren Einzelstrafen verurteilt worden. Dass er die Mutter dazu angestiftet habe, ihren anderen Sohn ebenfalls sexuell zu missbrauchen, war ebenfalls als Einzeltat geahndet worden. Insgesamt sprach das Landgericht damals eine Gesamtstrafe von drei Jahren und neun Monaten aus (der TV berichtete).
Der Täter ging in Revision. Mit Erfolg: Der Bundesgerichtshof hob die Einzelstrafe wegen Anstiftung zum sexuellen Missbrauch auf. Denn als Straftat hätte dies nach der damaligen Rechtsprechung - die mittlerweile verschärft wurde - nur bewertet werden können, sofern die Mutter ein eigenes sexuelles Interesse an dem Missbrauch gehabt hätte. Ein solches hatte das Landgericht der Frau bei deren Verurteilung allerdings nicht vorgeworfen.

Die zweite große Jugendkammer des Landgerichts musste daher gestern die Gesamtstrafe des Angeklagten neu festlegen. "Alle anderen, vom Bundesgerichtshof bestätigten Einzeltaten, sind so umfassend, dass es keinen Grund gibt, die Gesamtstrafe zu mindern", plädiert Oberstaatsanwalt Hans-Peter Hemmes. Verteidiger Weidhaus sieht die Sache anders: "Der Bundesgerichtshof hat den Angeklagten von einem nicht unbedeutenden Teil des Urteils freigesprochen - was sich mit einer Strafmilderung von vier Monaten auswirken sollte." Das Schöffengericht erlässt schließlich dem laut psychiatrischen Gutachtens voll schuldfähigem Täter drei Monate der ursprünglichen Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten.

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