Trier im Fußball-Rausch

TRIER. Besser hätte es nicht kommen können. Tausende feiern den Sieg der deutschen Mannschaft gegen Costa Rica, unglaublicher Jubel prägt die drei zentralen Übertragungen in der Kunstakademie, im Innenhof der Telekom und auf dem Viehmarkt. Trier im Fußball-Rausch.

Steigende Spannung und enorme Vorfreude prägen die Szene zehn Minuten vor dem Anpfiff. Kunstrasen und Tribüne schaffen Stadion-Atmosphäre in der Europäischen Kunstakademie, hier präsentiert der TV seinen Lesern das Eröffnungsspiel auf zwei Leinwänden. Jeder geht auf seine Art mit der Spannung um. Jochen (24) aus Trier kompensiert seine Nervosität, indem er Freundin Tina mit allen Fußball-Fakten bombardiert, die ihm einfallen. Als die Mannschaften einlaufen und sich zur Nationalhymne aufstellen, stellt Tina die erste und einzige Gegenfrage: "Warum hat das Trikot von dem einen da lange Arme?" Dazu fällt Jochen nichts ein. Doch der erste WM-Tag ist nicht dazu geeignet, Vorurteile - Männer sind geborene Fußball-Götter, Frauen blicken absolut nicht durch - zu bestätigen. Die Damenwelt zeigt Sachverstand und geht begeistert mit. "Der eine da", von dem Tina eben sprach, ist übrigens Philipp Lahm. Als er in der 6. Minute trifft, bricht die Hölle los. Die Fans in der Kunstakademie stehen auf den Bänken. Auf dem Viehmarkt und im Telekom-Innenhof fallen sich Wildfremde in die Arme. Die Erde bebt. Deutschland führt. Tinas Kommentar zum Tor geht leider im Gebrüll unter. Zwar geht es nicht so heiter weiter. Doch das Schöne am Fußball sind diese emotionalen Talfahrten. Geradezu gelähmt sind die Trierer Fans, als Paulo Wanchope am humpelnden (jemand ruft mehrmals "Hol Kahn rein") Jens Lehmann vorbei zum Ausgleich einschießt. "Jetzt komm, ist doch nicht so schlimm", sagt Tina zu Jochen, der regungslos auf die Leinwand glotzt. Als Miroslav Klose zweimal für die Klinsmann-Truppe trifft, kommt wieder Leben in Jochen und den Rest der 300 Fans in der Kunstakademie. Jetzt fliegen - leere - Bierbecher. "Ich hab's doch gesagt", brüllt Jochen. Tinas Blick signalisiert eine gewisse nervliche Belastung. Im Hof der Telekom geraten mehr als 700 Zuschauer in Extase, auf dem Viehmarkt sind es Tausende. Gesänge und Trommelschläge donnern durch die Innenstadt. Es scheint tatsächlich, als wäre man in München live dabei. Doch das war noch lange nicht alles. Denn Wanchope macht sein zweites Tor für Costa Rica. "Abseits", dröhnt es durch die Kunstakademie, doch der Schall dringt nicht bis nach München. Dann wird das Eröffnungsspiel zum Triumph. Torsten Frings hält einfach drauf und trifft. Alle Dämme brechen. Jochen wirbelt Tina durch die Luft. Deutschland gewinnt 4:2. "Seit der WM 1990 habe ich nicht mehr so gejubelt", sagt Fußball-Veteran Franz (58). Nach dem Abpfiff zeigt der mit Scherben übersäte Viehmarkt die Spuren des Fußball-Festes. Die Fans feiern friedlich. "Alles ruhig", meldet die Polizei Trier eine Stunde nach Abpfiff.

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