Trier kommt in die Ampel-Phase

33 Seiten umfasst die "Vereinbarung über eine gemeinsame Politik im Rat der Stadt Trier", die Vertreter von SPD, Grünen und FDP gestern im Rathaus präsentierten. Das "Bündnis-Papier" klärt viele Fragen, lässt aber auch einige offen. Vor allem dokumentiert es den Willen der Beteiligten, die Führungsrolle in der Trierer Politik zu übernehmen.

Trier. Priorität für Bildung und Umwelt, Vorfahrt für ÖPNV, mehr Planung und langfristige Konzepte, verstärkte Bürgerbeteiligung: Das sind die Kern-Elemente der Vereinbarung, die sich in eine grundsätzliche und eine praktische Hälfte teilt.

Schon im Vorwort verspricht die Ampel-Koalition einen "Politikwechsel bei Inhalten und Stil". Die ganz großen, neuen Projekte sucht man freilich vergebens - was sicher auch mit der Finanzlage zu tun hat. Immerhin hat man die ÖPNV-Trasse Petrisberg als gemeinsames Vorhaben festgeschrieben, und zwar in einem konkreten Zeitfenster: Bis Ende 2011 soll die Entscheidung über das zu nutzende Verkehrsmittel und die Finanzierung fallen.

Umverteilung bei den Verkehrsmitteln

 Die neue Mehrheit im Trierer Rathaus schließt einen Bündnisvertrag: Thomas Egger, Sven Teuber, Malu Dreyer, Gerd Dahm, Heide von Schütz (von links). TV-Foto: Dieter Lintz

Die neue Mehrheit im Trierer Rathaus schließt einen Bündnisvertrag: Thomas Egger, Sven Teuber, Malu Dreyer, Gerd Dahm, Heide von Schütz (von links). TV-Foto: Dieter Lintz



Deutliche neue Akzente setzt die angestrebte künftige Verteilung der Verkehrsströme, von Experten "Modal Split" genannt. Bis 2014 sollen in Trier 20 Prozent der Wege zu Fuß, 15 Prozent mit dem Rad, 20 Prozent mit dem ÖPNV und nur noch 45 Prozent mit dem Auto zurückgelegt werden. Politische Sprengkraft hat dabei die Absicht des Bündnisses, die Verteilung der Mittel im Verkehrsbereich diesem Ziel anzupassen. Das könnte auf eine spürbare Umverteilung von Straßenbau-Mitteln in Richtung umweltfreundlicherer Fortbewegungsarten hinauslaufen. Geprüft werden sollen auch unkonventionelle, aber umstrittene Maßnahmen wie eine Umweltspur auf dem Alleenring.

In nahezu allen Bereichen will das Bündnis neue Arbeitsstrukturen schaffen. Zusätzliche Beiräte, Beauftragte, Langfrist-Konzepte, Kataster, Satzungen, Vernetzungen, Fördergesellschaften ziehen sich ebenso durch das Bündnispapier wie erweiterte Bürgerbeteiligungs-Optionen. Das sei kein Selbstzweck sagen SPD-Chefin Malu Dreyer und Grünen-Sprecherin Heide von Schütz unisono, sondern Ausdruck eines neuen Stils. Man werde künftig "anders denken", wie etwa der Ansatz einer integrierten Sozialpolitik beweise.

Potenzielle Sollbruchstellen hat man in der Bündnisvereinbarung meist durch Kompromisse entschärft. So trägt die FDP die ungeliebte Gesamtschule mit, sogar als Vorzeige-Modell mit kompletter Integration. Im Gegenzug stellen SPD und Grüne ihre Forderung nach einer zweiten IGS zurück, bis die Erfolge auf dem Wolfsberg messbar nachgewiesen sind. Bei den Schulen fällt insgesamt auf, dass im Ampel-Papier - anders als im Wahlkampf - kein Wort über eine Bestandsgarantie zu finden ist. Das passt zur Ankündigung von OB Jensen, Schulschließungen seien "kein Tabuthema".

Wo rot, grün und gelb gänzlich unvereinbar sind, haben sie das auch festgeschrieben: Beim Moselaufstieg und der Nordbrücke gebe es "keine gemeinsame Haltung". Aber das dürfte kaum ein gravierendes Hindernis für die Ampel sein.

Das kleinste Kapitel im Bündnisvertrag sind die Finanzen. Ganze 17 Zeilen hat man ihnen gewidmet. Quintessenz: Man will mehr Geld vom Land und "Einnahmen und Ausgaben des Haushalts kritisch überprüfen und optimieren". Und man verspricht, für 2011 mit Hilfe externer Experten kreative Ideen zur Konsolidierung des Etats zu entwickeln. Dann werde man, so SPD-Verhandlungsführer Sven Teuber, "den Haushalt komplett auf den Kopf stellen".

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Meinung

Neuer Ansatz, neue Chance

Nein, die Revolution wird in Trier nicht ausbrechen mit der Machtübernahme des Ampel-Bündnisses. Fraglos wird man mehr Konsequenz in Sachen Umwelt erwarten können. Aber sonst steht im Programm nicht viel, wofür sich keine Mehrheiten im Rat auch ohne Bündnis finden ließen. Oder die Maßnahmen sind allenfalls als Merkposten festgehalten für ungewisse bessere Tage. Und trotzdem: Vieles wird sich ändern, wenn auch nur allmählich. Denn der Politik-Ansatz ist ein neuer. Kommunalpolitik in Trier, das war über Jahrzehnte eine Sache des Geschicks und der Macht von Einzelpersonen. Die kommunale Landschaft spiegelt heute den Einfluss und die Kompetenz von Oberbürgermeistern und Dezernenten. Manches florierte, anderes geriet ins Schattendasein. Mit systematischer Planung, langfristigen Konzepten, ressortübergreifender Kooperation tat man sich schwer. Gehandelt wurde situativ, ein machtloser Rat konnte da oft nur noch durchwinken, was längst entschieden war. Künftig soll erst analysiert, dann geplant und schließlich gehandelt werden. Unter Beteiligung der Bürger. Der Ansatz ist richtig, aber die Koalitionäre müssen darauf achten, dass auf das planlose Wirtschaften keine Planwirtschaft folgt, und auf die Zeit der starken Männer keine Zeit der lahmen Laberrunden. Um die Frage der Finanzen hat sich das neue Bündnis kollektiv gedrückt. Okay, wer will ein hoffnungsvolles neues Unternehmen schon mit dem Offenbarungseid eröffnen? Aber spätestens zum Haushalt 2011 muss Butter bei die Fische. d.lintz@volksfreund.de

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