Trierer meiden nachts den Palastgarten

Trier · Am Tag ziehen sie viele Menschen an, nachts werden sie zu unheimlichen Ecken. Die Diskussion um Angsträume in der Innenstadt - allen voran der Palastgarten - nahm durch die Diplomarbeit einer Geografiestudentin an Fahrt auf und hat inzwischen hohe Priorität in den politischen Gremien. Denn Angst passt nicht zur Touristenstadt Trier.

Trier. Angst ist eine der stärksten Emotionen und außerdem vollkommen subjektiv, empirisch kaum zu fassen und zu belegen. Hohe Anforderungen an eine sachliche Diskussion. Der Ansatz zu einer solchen kam nicht von einer Behörde oder einem Planungsbüro, sondern von Annika Busch-Geertsema (siehe Extra). Die Trierer Geografie-Studentin lieferte eine Diplomarbeit über Trierer Angsträume ab (der TV berichtete mehrmals). Die aktuelle Diskussion um die Zustände im Palastgarten zeigt klar, dass die junge Frau mit diesem Thema ins Schwarze getroffen hat.
Die Schnittmenge zwischen Busch-Geertsemas Arbeit und den zurzeit in der Trierer Polit-Szene laufenden Debatten sind die Teile der Innenstadt, die nach Einbruch der Dunkelheit zu unheimlichen und scheinbar gefährlichen Zonen werden. An der Spitze stehen Hauptbahnhof und Palastgarten. Triers grünes Familienparadies ist nachts für viele eine Tabuzone.
Ein Blick in die Sitzungsprotokolle des Ortsbeirats Trier-Mitte/Gartenfeld bestätigt dieses Bild. Immer wieder werden Anwohner zitiert, die von "nächtlichem Lärm und Dreck" berichten. Und nicht nur das: "Die Gewalt nimmt zu." Ortsvorsteher Dominik Heinrich (Die Grünen) sagt dazu: "Der Ortsbeirat hat zur Vermeidung von Angsträumen beispielsweise durch den Rückschnitt von Hecken oder eine bessere Beleuchtung schon Beschlüsse gefasst." Doch die Stadtverwaltung greife diese Beschlüsse nicht auf. "Ich habe den Eindruck, dass dieses Thema nicht ausreichend ernst genommen wird." Heinrich kündigt an, die Angsträume noch einmal aufzugreifen. Der Stadtrat wird sich am 16. Juni wieder mit dem Palastgarten beschäftigen. Dann wird eine neue Satzung auf der Tagesordnung stehen.
Ist der Palastgarten eine feste Größe der Kriminalstatistik? Die Polizei meldet für das laufende Jahr vier Einsätze wegen Körperverletzung und einen wegen Ruhestörung. "Der Palastgarten ist kein Brennpunkt der Kriminalität", sagt Monika Peters, Sprecherin des Polizeipräsidiums Trier. Die Polizei sei zu verschiedenen Tageszeiten mit Fußstreifen präsent, "um das Sicherheitsgefühl der Bürger und Besucher der Stadt zu verbessern". Ein Kriminalitätsschwerpunkt sei allerdings ein weiterer der von Busch-Geertsema genannten Kernangsträume: der Hauptbahnhof. Hier gab es 2011 bisher 43 Straftaten. "Bundes- und Landespolizei sind hier ebenso wie das Ordnungsamt regelmäßig präsent", sagt die Polizeisprecherin.
"Wir sind mit dem kriminalpräventiven stadtteilorientierten Konzept gut aufgestellt", sagt Ralf Frühauf vom Trierer Presseamt. Dieses Konzept sieht vor, dass sich die Ortsbeiräte mit den Problemen ihrer Stadtteile befassen und diese der Geschäftsstelle der kriminalpräventiven Rates mitteilen. Sollte dabei ein Problem ans Licht kommen, das Polizei und Verwaltung allein nicht kurzfristig lösen können, wird eine Projektgruppe einberufen.
"Die oft nur subjektiv empfundenen und nicht durch Vorfälle belegbaren Angsträume werden vom Rathaus ernst genommen", betont Frühauf. Doch ein Park oder eine Grünanlage habe naturgemäß verborgene Ecken und Winkel, die schlecht einsehbar sind. "Um Angstgefühlen entgegenzuwirken, wird drauf geachtet, speziell bei Parkanlagen alle Querungen gut auszuleuchten."Meinung

Eine Frage der Konsequenz
Trier ist weder die Bronx noch eine Stadt, in der jeder jede Nacht Angst haben muss. Das steht außer Frage und wird auch von Annika Busch-Geertsema bestätigt. Die von ihr angestoßene Diskussion zeigt allerdings einmal mehr, wie sehr das Bild einer Stadt und der Wohlfühl-Quotient ihrer Bewohner und Besucher von Details abhängen. Nicht die Kriminalität prägt die Angsträume in der Trierer City, sondern Beleuchtung, Sichtweite und auch Gesellschaft vor Ort. Eine ältere Dame beispielsweise, die im Palastgarten auf ein Rudel betrunkener Jugendlicher stößt, wird möglicherweise hinterher von Angst sprechen - auch wenn sie keine Sekunde lang in wirklicher Gefahr war. Die Stadt hat es jetzt in der Hand, eine Satzung zu schaffen, die das Beseitigen düsterer Ecken und nächtlicher Besäufnisse mit der notwendigen Konsequenz möglich macht. j.pistorius@volksfreund.deAnnika Busch-Geertsema (27) hat ihre Diplomarbeit den Angsträumen in Triers Innenstadt gewidmet. 200 Anwohner nahmen an der schriftlichen Befragung teil. Das nicht repräsentative Ergebnis: 45,4 Prozent nannten den Palastgarten und den Vorplatz der Basilika. Den Hauptbahnhof sahen 18,9 Prozent als Angstraum. Das Viertel hinter dem Dom und das Moselufer tauchen oft auch, dazu kommen Verkehrsknotenpunkte und Unterführungen. Busch-Geertsema räumt ein: "Wir haben es hier primär mit subjektiven Gefühlen zu tun. Dennoch muss das Thema von der Stadt beachtet werden." jp

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