Über Kant, Kinder und Kürenz

KÜRENZ. Nach einer Rucksacktour per Anhalter vom Niederrhein quer durch Deutschland war für Johannes Verbeek klar, dass er nach seinem Hauptschulabschluss, einer Elektrikerlehre und vier Jahren Abendgymnasium in Trier studieren will. Gelandet ist er im Stadtteil Kürenz, wo er die Bürgerinitiative "Lebenswertes Kürenz" mitgegründet hat.

Der langhaarige Mann mit der Brille hat viel zu erzählen, und es wird nicht langweilig ihm zuzuhören, wenn er über seine Biografie "philosophiert". Angefangen hat seine interessante Vergangenheit in Straelen am Niederrhein an der holländischen Grenze, wo er 1957 zur Welt kam. Nach der Hauptschule machte er zunächst eine Elektrikerlehre und verdiente sieben Jahre lang damit sein Geld. Sein Ziel war es, irgendwann Elektrotechnik zu studieren und Ingenieur zu werden. Den Ehrgeiz, das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachzuholen, hatte der intelligente Mann schon lange. Mit 21 Jahren setzte er seinen Plan in die Tat um und besuchte für vier Jahre ein Abendgymnasium. Auf der Abendschule kam er zum ersten Mal mit dem Thema "Philosophie" in Berührung und er entdeckte schnell seine Leidenschaft für Kant, Hölderlin und die anderen großen Denker und Dichter. Er war von seinem Wahlfach so begeistert, dass er sich auch in seiner Freizeit viel damit beschäftigte. Dazu kam, dass seine Lehrer ihn bestärkten: "Machen Sie mal, das ist eine tolle Sache für Sie." Verbeek verabschiedete sich von seinem ursprünglichen Vorhaben, Elektrotechnik zu studieren und beschloss, sich einen geeigneten Studienplatz für Philosophie, Ethik und Religion zu suchen. Die anfängliche Skepsis seiner Eltern konnte ihn nicht mehr aufhalten. Mit dem Rucksack auf dem Rücken und seinem Traum von einer Philosophenkarriere im Kopf machte er sich per Anhalter auf nach Münster, Heidelberg, Freiburg und Trier, wo er sich die Universitäten anschaute. Nach drei Tagen in der Jugendherberge am Zurlaubener Ufer, das ihm noch heute gut gefällt, beschloss er auf dem Trierer Hauptmarkt seine Zukunft: "Da saß ich und hab so ein bisschen rumgedacht, was ich jetzt mache. Und weil mir Trier gut gefallen hat, habe ich mich entschieden hier zu bleiben." Das war 1982. Zehn Jahre später hatte er seine Promotion "Über den Gottesbegriff und die Stellung der Theologie in der Philosophie Ernst Cassirers" abgeschlossen. Während dieser Zeit sorgte er auch als Hausmann für seinen erstgeborenen Sohn Valentin. Noch einmal zwei Jahre später, nach seinem Referendariat am Friedrich-Spee-Gymnasium, war der Doktor der Philosophie auch noch ausgebildeter Gymnasiallehrer. "Ich wollte nicht an der Uni bleiben und unter Druck publizieren müssen. Die Arbeit mit jungen Erwachsenen hat mir mehr Spaß gemacht. An der Schule kann ich meine Projekte so gestalten, wie ich möchte", erzählt der mittlerweile zweifache Vater, der heute am Auguste-Viktoria-Gymnasium (AVG) unterrichtet. Schreiben ist dennoch eines seiner größten Hobbys, auch wenn er es "nur für die Schublade und aus reiner Lust" tut. Dass das nicht so ganz stimmt, hat der Philosoph im vergangenen Jahr unter Beweis gestellt: Zum 125-jährigen Bestehen des AVG veröffentlichte er seine "Abhandlung über Gerechtigkeit" in der drei Jahre Arbeit stecken. Wermutstropfen ist der Verkehr

Neben seinem Lehrerdasein an der Unesco-Projekt-Schule liegen ihm seine Frau Veronika (40) - eine Psychologin, die er im Studium kennen gelernt hat - und seine Kinder Valentin (12) und Laurens (6), mit denen er gerne Domino und Karten spielt oder zum Fußball geht, am Herzen. Auch die von ihm im Jahr 2000 mitgegründete Bürgerinitiative "Lebenswertes Kürenz" ist eins seiner Steckenpferde. "Kürenz ist außer dem Verkehr recht toll und bietet Entwicklungspotenziale", sagt Verbeek, der 1999 in seinem Wahlstadtteil ein Haus gekauft hat. Mit der BI will er für bessere Wohnqualität in dem viel befahrenen Quartier kämpfen.

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