Und ein Euro zum Dritten . . .

TRIER. Ein fahrtüchtiges Damenrad für sechs Euro, neue Marken-BH für drei Euro und eine Baustellenleuchte für einen Euro – bei den Auktionen des Fundbüros, die alle drei bis vier Monate stattfinden, kommen in ausgelassener Atmosphäre herrenlose Gegenstände günstig unter den Hammer.

Wie bei der Eröffnung des Winterschlussverkaufs strömen mehr als 40 Besucher fast sämtlicher Alters- und Einkommensschichten in den Hof des Fundbüros Trier, wo die Versteigerung von Fahrrädern beginnt. Wer dazu gehört, fühlt sich ein bisschen auserwählt und konspirativ, da man zu der kleinen Gruppe gehört, die den Termin im Kleingedruckten der tagtäglichen Bekanntmachungen entdeckt hat. Trotz des unwirtlichen Ambientes umgibt die Auktion eine Aura von Exklusivität, als wäre man Gast auf einer Aftershow-Party von Robbie Williams oder beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten. Jedenfalls so ähnlich.Kaufen und verkaufen

Es läuft jedoch etwas zäh an. Gegen das erste Fahrrad wirkt der Luxemburger Turm auf dem LGS-Gelände wie hochglanzpoliert. Das zweite hat keinen Rost, dafür aber auch keinen Lenker und Sattel. Es sind jedoch auch fahr- und brauchbare Fundstücke dabei, von denen das begehrteste einen Preis von 50 Euro erzielt. Kurz vor der Kleinteilauktion im Fundbüro meldet sich ein Mann, der alle zehn nicht versteigerten Räder für jeweils einen Euro kauft. Im Fundbüro wird deutlich, warum nicht breiter auf die Veranstaltung hingewiesen wird. Es ist einfach kein Platz da für noch mehr kauflustige Besucher. Doch die meisten Artikel finden auch so ihren Abnehmer. Es herrscht eine Geschäftstüchtigkeit wie auf einem tunesischen Markt. Eine Frau, die gerade eine Bluse und einen Schirm im Doppelpack für einen Euro ersteigert hat, wird sogar subunternehmerisch tätig. "Den Schirm kann ich gebrauchen. Will jemand die Bluse für 50 Cent?" Ein anderer schwatzt einem Käufer ein Paar Kindersocken ab, die zu einer mehrteiligen Erwerbung gehörten. Die Tüten- und Rucksack-Fundsachen sind die spannendsten Angebote. Zum Inhalt gehören meistens neue oder gebrauchte Kleidungsstücke. Edgar Drumm, der die Auktion leitet, wird zum Abschätzen der Größe aufgefordert, eine Lederweste anzuprobieren. "Warten wir noch bis zur Unterwäsche", ruft eine Frau und erntet Gelächter, das man von reisenden Damenkegelgruppen kennt. Die Stimmung im Fundbüro ist sehr vertraulich und intim. Aus Rücksicht gegenüber den Lesern und dem guten Geschmack werden an dieser Stelle die Kommentare bei den Höschen- und BH-Angeboten verschwiegen. Erstaunlich häufig befinden sich auch Drogerieartikel unter den Fundstücken. Das meiste wechselt für wenig Hartgeld innerhalb weniger Sekunden den Besitzer. Eine Baustellenleuchte findet für einen Euro einen Käufer, Schals und Mützen sind so gefragt wie Kalender aus dem vergangenen Jahr. Eine Diabetikerausrüstung wird kurzerhand aus dem Verkehr gezogen, als die Auktionsleitung eines Spritzbestecks gewahr wird. Im letzten Teil der dreistündigen Versteigerung öffnet Drumm die Schatzkiste. Obwohl auch hier Schnäppchen zu machen sind, besteht beim Schmuck, der für einen vom Fachmann geschätzten Preis angeboten wird, keine oder nur geringe Nachfrage. Am Ende fließen 700 Euro, von denen schon 140 Euro für Gutachterkosten abgezogen sind, in den Haushalt der Stadt. Die Kosten (Lagerung, Personal) für die Auktion wiegen sie allerdings nicht auf. "Wir sind verpflichtet, die abgegebenen Stücke ein halbes Jahr aufzubewahren", sagt Ralf Frühauf vom Presseamt der Stadt. Den Schmuck ausgenommen wandern die nicht verkauften Artikel in den Müll.

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