Und immer ein echter Jeck

Trier. Soldat, Friseur, Metallarbeiter und Pförtner - die Reihe der Berufe, die Anton Josef Breiling schon ausgeübt hat, ist lang. Davon und von seiner Leidenschaft für den Karneval erzählt er in unserer Serie "Lebenswege".

 Erinnerungen auf Bildern: Anton Breiling (rechts oben vor einem Familienfoto) hält eine Aufnahme aus der Zeit der Gefangenschaft in Verdun in Händen. Sie zeigt Mitgefangene in einem Steinbruch auf einem amerikanischen Militärfahrzeug. Breilings große Leidenschaft ist der Karneval. Ein ebenfalls schon "historisches" Bild zeigt ihn 1951 als Flipp (rechts) mit seinem Freund Ernst Peifer als Flapp bei der Kürenzer Karnevalsgruppe Concordia. Foto: Friedemann Vetter

Erinnerungen auf Bildern: Anton Breiling (rechts oben vor einem Familienfoto) hält eine Aufnahme aus der Zeit der Gefangenschaft in Verdun in Händen. Sie zeigt Mitgefangene in einem Steinbruch auf einem amerikanischen Militärfahrzeug. Breilings große Leidenschaft ist der Karneval. Ein ebenfalls schon "historisches" Bild zeigt ihn 1951 als Flipp (rechts) mit seinem Freund Ernst Peifer als Flapp bei der Kürenzer Karnevalsgruppe Concordia. Foto: Friedemann Vetter

Schon als Dreizehnjähriger wollte Anton Josef Breiling, Jahrgang 1926, Berufssoldat werden. Der Vater war Unteroffizier im Ersten Weltkrieg gewesen und riet ihm: "Wenn du die Unteroffiziersschule absolvierst, hast du eine sichere Zukunft. Nach deiner Militärzeit wirst du als Beamter übernommen." Was im Krieg passiert, davon hatte Toni nur eine vage Vorstellung: "Wer denkt schon ans Sterben, wenn er 13 Jahre alt ist." Er meldete sich bei der Unteroffiziers-Vorschule und bestand die Aufnahmeprüfung.Als junger Mann zum Militär

Im April 1941 musste er sich in der Unteroffiziers-Vorschule in Neu Breisach melden: "Dort habe ich eine Menge gelernt." Denn neben Marschieren und Waffenausbildung gab es auch Schulunterricht. Und Toni stellte fest, dass die heimische Volksschule ihn mit ungenügenden Kenntnissen in Rechnen, Deutsch und Geschichte ins Leben entlassen hatte: "Die schulische Ausbildung war mit der einer Realschule zu vergleichen. Und natürlich hatten wir jede Menge Sport." Der Krieg kam immer näher. Irgendwann im Herbst 1944 wurden die Unteroffizierschüler in einen Zug gesetzt: "Erst als wir über den Rhein fuhren, wussten wir, dass wir gegen die Amerikaner kämpfen sollten." Er war nun 18 Jahre alt, ein junger Soldat, Dienstrang Unteroffiziers-Schüler. Sie bezogen Stellung in Jandlecourt an der Mosel. Toni Breiling hat aufgeschrieben, wie er das damals erlebte: "Als ,Ofenrohrschütze‘ trug ich die etwa zwei Meter lange Panzerabwehrwaffe. Es regnete Tag und Nacht, so dass wir die Zündung des ,Ofenrohres‘ und die Munition nicht vor Nässe schützen konnten." Würde das "Ofenrohr" auch schießen, wenn ein amerikanischer Panzer anrollte? Die Frage klärte Toni mit einem Probeschuss. Er traf einen etwa 60 Meter entfernten Schäferkarren. Am 10. Oktober 1944 stand ein US-Soldat vor ihrem Schützenloch, fuchtelte mit der MP rum und rief: "Hands up! Kommen Sie raus!" Mit LKW wurden er und seine Kameraden in ein Lager bei Verdun gebracht. Toni lernte schnell, wie man in einem Gefangenenlager überlebt. Am besten im Verpflegungslager. Und später, in einem anderen Lager in der Nähe von Compiegne bei Paris, erklärten ihnen US-Offiziere: "Wer sich freiwillig noch für drei Monate zu amerikanischer Gefangenschaft verpflichtet, wird nicht an die Franzosen übergeben." Toni sagt: "Gott sei Dank habe ich mich für die Amis entschieden." Denn wer in französischer Kriegsgefangenschaft blieb, kam später nach Hause. Und junge Männer wie er wurden gedrängt, sich freiwillig für die Fremdenlegion zu melden. Im Lager lernte er einen Friseurmeister kennen, für den er Handlangerdienste übernahm. Friseure wurden gesucht. Also sagte Toni: "Ich bin Friseur!" In einem Zelt machten er und sein "Meister" zusammen einen Friseursalon auf.Bis 1946 in US-Gefangenschaft

Kämme und Scheren besorgten die US-Wachmannschaften. Im Lager herrschte ein flotter Schwarzhandel. Vor allem mit US-Zigaretten und Lebensmitteln. Für Zigaretten ließen die polnischen Wachmänner nachts Französinnen durch den Stacheldrahtzaun, die für ein Päckchen Lucky Strike im ältesten Gewerbe der Welt arbeiteten. Es muss ein munteres Lagerleben gewesen sein. Am 10. Oktober 1946, genau zwei Jahre nach seiner Gefangennahme, wurde Toni Breiling aus US-Gefangenschaft nach Hause entlassen. Er begann eine Lehre als "Friseur im Herrenfach". 1949 machte er die Gesellenprüfung als Herrenfriseur. Und privat? Toni wurde Mitglied im 1947 wieder gegründeten Männergesangverein Concordia 1885, "für den ich heute noch aktiv bin", wie er mit berechtigtem Stolz sagt. Der Verein - vor allem die Karnevalsgruppe der Concordia - war künftig sein wahres Leben. Er schrieb Texte, Büttenreden, trat selbst auf, war eine Art närrischer Hans Dampf in allen Gassen. 1949 lernte er seine Frau Käthe kennen. Käthe war Friseuse. Zeitweilig planten sie, gemeinsam einen Friseursalon zu eröffnen. Sie heirateten 1954. Aus dem Friseursalon wurde nichts. Toni Breiling arbeitete jetzt im Walzwerk. Da war mehr zu verdienen, wenn es auch eine Knochenarbeit war. Der Feierabend gehörte dem Verein. Selbst die Familie ging in die Bütt. Ehefrau Käthe mit dem Duo "Käthchen und Mariechen". Beide Söhne wurden Büttenredner. Die Tochter und die Schwiegertochter waren Funkenmariechen. Irgendwann kam der Vertreter einer Versicherung und sagte zu Toni: "Du kannst doch gut reden. Komm zu uns, zur Versicherung." Und so geschah es. Toni Breitling war künftig Versicherungsagent, kassierte die fälligen Prämien, machte neue Abschlüsse. Das ging so bis 1979. Der Toni war bekannt wie ein bunter Hund. Er ging zum öffentlichen Dienst, arbeitete im Einwohnermeldeamt am Schalter. Jemand hatte ihm den Job angeboten, weil er "gut mit Menschen umgehen konnte". 1989 wurde er Rentner. Und auch was die Fastnacht anbelangt, trat er kürzer. "Nach jeder Session war ich ziemlich erledigt." Wenn er ein Fazit seines Lebens ziehen müsste, dann würde er zuerst erwähnen, dass es ihm "schwer fiel, nach der Kriegszeit wieder Fuß" zu fassen: "Ich war immer Befehlsempfänger. Wir sind so gedrillt worden, dass man alles tun muss, was von oben gesagt wurde. Ich versuchte immer Recht zu haben. Ich musste lernen, die Ansichten von anderen zu akzeptieren und auch mit zu tragen. Das ist mir schwer gefallen. Wenn ich heute einen Neo-Nazi sehe, sage ich: Das ist ein Chaot. Der weiß nicht, was los ist."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort