Unheilvolles Wechselspiel

TRIER. (ph) Er hatte es kommen sehen: "Immer, wenn mir 'was Gutes passiert im Leben, kommt 'was schlechtes hinterher", sagt Alexander Tibelius. So nimmt er den komplizierten Bruch seiner Hand, den er sich vor kurzem bei einem Sturz zuzog, scheinbar gelassen. Immerhin hatte das Unglück einen sehr positiven "Auslöser": Der Design-Student hatte vor wenigen Wochen einen Ideenwettbewerb zur Gestaltung städtischer Werbeplakate gewonnen.

Anstatt im Hörsaal sitzt Tibelius an diesem Morgen in der Cafeteria des Mutterhauses, den rechten Unterarm in eine dicke Gipsmanschette gehüllt. Gleich wird ein Chirurg der Klinik mit ihm Einzelheiten der bevorstehenden Operation seines Handgelenks besprechen. An die drei Monate dürfte ihn die verletzte Hand am Malen und Zeichnen hindern. Dabei hatte das Jahr durchaus vielversprechend begonnen: Beim Ideenwettbewerb der Stadt Trier für eine neue Werbekampagne hatte Tibelius mit seinen Plakatentwürfen den ersten Preis gewonnen. Der extra zur Preisverleihung angereiste britische Stardesigner Paul Arden nannte die Arbeiten des Kommunikationsdesign-Studenten im fünften Semester "weltklasse". Tibelius' Idee, auf den Plakaten nicht die Sehenswürdigkeiten der Stadt, sondern nur die sie bestaunenden Menschen zu zeigen, lobte Arden als "einfach brillant". Doch Tibelius machte bei der Preisverleihung einen eher gelangweilten Eindruck. Während viele Kommilitonen Abendgarderobe angelegt hatten, nahm er in schlabbernden Jeans, das Gesicht hinter einer blauen Kreuzung aus Woll- und Baseball-Mütze versteckt, den symbolischen Scheck über 2000 Euro entgegen. Die blaue Mütze ist auch in der Cafeteria mit von der Partie. Vielleicht habe er sich damals nicht so richtig freuen können, weil er in seine Entwürfe nur wenig Zeit investiert hatte, sagt Tibelius. Vielleicht habe er aber auch schon geahnt, dass auf den Erfolg ein Missgeschick folgen würde. So wie vor drei Jahren in Berlin, als er bei einem Werbekongress den ersten Preis für eine Werbekampagne zum Thema "Marke Mensch" gewann und ihm noch auf der Bühne der Fernsehsender Pro7 einen Job als Werbedesigner anbot. Doch schon nach drei Wochen nahm die hoffnungsvolle Fernseh-"Karriere" ein abruptes Ende: Weil Tibelius nicht zur Arbeit ging, sondern den Tag lieber mit seiner Freundin verbrachte, wurde ihm fristlos gekündigt. Wenn der 24-Jährige so über sein Leben plaudert, macht er den Eindruck eines jungen Mannes, der nicht unbedingt immer an die Folgen seines Tuns denkt. Womöglich ist der Grund dafür seine Lebenserfahrung, dass sich Dinge scheinbar von selbst ereignen. Oder, wie Tibelius es ausdrückt: "Bisher sind die Leute immer auf mich zugekommen." Mit 13 Jahren machte der gebürtige Kasache, der in Heilbronn aufgewachsen ist, seine ersten künstlerischen Gehversuche mit der Spraydose - "meine erste große Liebe", wie Tibelius sagt. Drei Jahre später besprühte er im Auftrag des Plattenlabels "Uptown records" die Fassade ihrer Pariser Tonstudios. "Auf einmal war die Leinwand interessanter." In der zwölften Klasse verbrachte er mehr Zeit vor der Staffelei als auf der Schulbank, und das kreative Jahr trug Früchte. Tibelius musste nicht nur eine "Ehrenrunde" drehen, sondern bekam als kaum 20-Jähriger seine eigene Ausstellung, auf der er für mehrere tausend Euro seine Bilder verkaufte. Da ihm sein Kunstlehrer dennoch davon abriet, die Malerei zum Broterwerb zu machen, entschied sich Tibelius für das Kommunikationsdesign-Studium und für die Fachhochschule in Trier. Mittlerweile bedauert er zwar die "großen Schwierigkeiten, hier eine Ausstellung zu machen", aber sein Studium will er auf jeden Fall in der Moselstadt beenden. Danach träumt er von einem Job als Designer, in einem "interessanten" Land, Mexiko vielleicht. Und davon, bei der Arbeit "meinen eigenen Stil beibehalten zu können".

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