Unterhaltsame Wissenschaft

Es war ein gut besuchtes viertes Sonntagsgespräch im Theater Trier. Mit dem Sozialpsychologen Professor Jens Förster und dem Soziologen Professor Alois Hahn bestritten zwei angesehene Wissenschaftler die von TV-Redakteur Dieter Lintz moderierte Runde. Aus Sicht ihrer Disziplinen beleuchteten sie das Thema "Toleranz und Vorurteile".

Trier. (cofi) "Alle haben Vorurteile", das stellte Sozialpsychologe Jens Förster seinem Vortrag beim vierten Sonntagsgespräch im Theater voran. Anhand der wissenschaftlichen Forschungen belegte er die kühne These, die so manchen Zuhörer schlucken ließ. Auch wer sich für vorurteilsfrei hält, kann sich unbewusst und automatisch ablaufenden Assoziationen und Stereotypen nicht entziehen. Das funktioniert in Bruchteilen einer Sekunde. Aber Vorurteile lassen sich verlernen und Toleranz erlernen. Wichtiger Faktor dafür ist die Zeit, weniger solche Antidiskriminierungsnormen, wie sie in den USA bestehen. Denn die würden erst recht die Gedächtnisspuren aktivieren, auf denen die Assoziationsreihen abgespeichert sind. Alois Hahn wollte keine Gegenrede halten, näherte sich der Thematik aber aus soziologischer Sicht und erklärte das Paradoxon Toleranz, nämlich dass Toleranz da aufhört, wo sie Intoleranz toleriert. Hahn zeigte, dass Toleranz mehr ist, als "zu dulden, was nicht zu ändern ist", gleich wie sie motiviert ist, von religiöser über Gesetzestoleranz bis zur "Toleranz der Feigheit" als "Mangel an Zivil courage" und Form des "humanen Wegschauens". Eine vorurteilsfreie, tolerante Welt, das scheint Zukunftsmusik auch in einer proklamiert liberalen Welt zu sein, wenn überhaupt. Denn nur die Machtverhältnisse und Werteordnungen haben sich verschoben, Opfergruppen werden durch andere ersetzt, Vorurteile gibt es immer. Dieses pessimistische Bild zeichneten beide Wissenschaftler. Das probateste Mittel für Toleranz, das gab TV-Redakteur Dieter Lintz den Zuhörern als Quintessenz mit auf den Heimweg, sei das gegenseitige Kennenlernen.

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