Venedig an der Mosel

Original und Heuschreck: Während der Karneval in Italiens Lagunenstadt eher ruhig, geheimnisvoll und düster ist, ging es bei der heuschrecklichen Galasitzung "Eine Nacht in Venedig" munter und fröhlich zu. Bissige Kritik mussten die Stadtoberen einstecken.

Trier. "Es Fasenacht", schmettert die Leiendecker Bloas von der Bühne der Europahalle. Es ist ein Uhr, die Premieren-Galasitzung der Karnevalsgesellschaft Heuschreck geht nach fünf Stunden zu Ende. 550 Gäste singen - animiert vom temperamentvollen Heuschreck-Ballett - den Trierer Schlager mit, tanzen und schunkeln.Dass Mundart-Sänger Helmut Leiendecker die Sitzungen beschließt, hat Tradition. Diesmal hat er sie - fünf Stunden zuvor - als Stimmungsgarant auch eingeleitet. "Einmarsch, bitte", eröffnet Gustl Thormeyer seine letzte Saison als Heuschreck-Präsident.Es folgt typisch Heuschreckliches. Die Damen, teils in aufwändige venezianische Roben gewandet, teils in Glitzer-Hosenanzügen. Die Herren vorwiegend im dunklen Anzug. Die grün-weißen Heuschreck-Hüte kommen ohne Fasanenfedern aus, soviel Bescheidenheit leistet sich Triers älteste und größte Karnevalsgesellschaft. Beim Bühnenbild haben Johannes Kaschenbach und Peter Buschmann ganze Arbeit geleistet: Rialto-Brücke, Canal Grande und Häuserfronten Venedigs sind auf meterhohe Leinwände gedruckt. Davor eine weiße Sperrholz-Freitreppe und die Markusplatz-Arkaden.In 20er-Jahre-Badekostümen hüpfen die Mädchen des Nachwuchsballetts über die Bühne. Don Camillo (Alexander Houben) und Peppone (Dieter Lintz, beide TV) liefern ein schlagkräftiges Gegengewicht: Ihre bissige Kritik an Bischof Marx und den Trierer Verkehrsplaner eint die Streithähne. Und auch, dass Sportdezernent Georg Bernarding wegen maroden Südbads, baufälliger Eislaufhalle und verkommenen Moselstadions im Rathaus nur noch "die Trümmerfrau" genannt werde.Gereimt und im Versmaß lassen sich die "Touristinnen" Lino und Andrea Ley über Venedig und Trier aus: "Es gibt in ganz Italia doch nichts wie die Basilika." Nur Touristen in zu kurzen Shorts und zu engen T-Shirts - die gebe es überall. Den Gedanken an Presswürste vertreiben die "Colombinen" der Heuschreckgarde mit Eleganz und Grazie. Den ersten "Szenen-Schunkler" erntet der eloquente "Taubenvergifter" Harald Reusch. Der Sitzungspräsident schießt seine kabarettistischen Giftpfeile gen Landes- und Bundespolitik. Karneval auf höchstem Niveau auch vom Heuschreck-Chor: In einem Sängerwettstreit treffen italienische und deutsche Mentalitäten heftig aufeinander - um dann in Schunkel-Laune Gemeinsamkeiten zu entdecken. Die erste Rakete des Abends ist fällig!Zum Publikumsliebling avanciert ausgerechnet Heuschreck-Neuling Gerhard Kress, der mit seinem "literarischen Oberseminar" Sprachwitz und großes parodistisches Talent beweist. Das profane "Dickmadam"-Gedicht wird durch ihn zur Kritik an Deutscher Bahn, Terrorismus und Gesellschaft. Bissig und in perfekter Manier auch "Fischer's Maathes" (Helmut Haag): UBM-Chef Manfred Maximini ("Ist der Zenit erst erreicht, der Respekt oft dem Mitleid weicht"), Sportdezernent Georg Bernarding ("Ich wollte stets und konnte nie, verteidigt er seine Strategie") und die wegen einer Betrugs-Affäre in der Kritik stehende Führung der Handwerkskammer ("Ein Chef, der so was nicht im Griff, gehört nicht ans Steuer dieses Schiffs") bekommen ihr Fett weg.Die Aktiven Leiendecker Bloas, Mehringer Winzerkapelle, Präsident Gustl Thormeyer, Elferrat, Herold Edith Bretz, Nachwuchs-Ballet, Heuschreckgarde und -Ballett (alle trainiert von Birgit Müller und Monika Karsunky), Heuschreckchor, in der Bütt: Dieter Lintz, Alexander Houben, Lino Ley, Andrea Ley, Harald Reusch (auch Sitzungspräsident), Gerhard Kress, Helmut Haag, Jürgen Braun, Rainer Lübeck, Bühnenbild und Ordensentwurf: Johannes Kaschenbach, Peter Buschmann, Technik: Heinz König, Silvester Sekulla, Kostüme, Frisuren, Masken: Hildegard Pleimling, Elfi Hardt, Marlies Bluman, Betreuung hinter der Bühne: Waltraud Schneider, Bärbel Kaschenbach, Iris Grundhöfer, Heike Schöler.

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