Zum Bericht "Kurz vor Schluss mit lustig" und Kommentar "Karneval im Wandel" (TV vom 21. Oktober):

Als ich 1965 bei der KG Rote Funken als Klavierbegleitung der Trierer Funkensänger einstieg, stellte eine Kappensitzung noch ein gesellschaftliches Ereignis dar. In Trier gab es fünf Karnevalsvereine, dazu die zwei aus Ehrang. Vor der Bühne der Löwenbrauerei saßen bei jeder Sitzung Reporter der Trierischen Landeszeitung und des Trierischen Volksfreunds. Die Sitzung war ausverkauft, an der Seite saß die zwölfköpfige Peter-Reis-Combo und gestaltete den Einmarsch mit dem Ehranger Fanfarenzug. Sechs Granaten-Büttenreden, Gardetanz, Mariechentanz, Showtanz, Stimmungssänger immer schön abwechselnd und zum Schluss die Funkensänger. Kurz vor Mitternacht war Schluss, so dass noch ausreichend Zeit zum Tanz im Saal und in der Bar war. Dies wäre heute finanziell undenkbar. In den 70er Jahren kam es zu einer großen Anzahl von Vereinsgründungen in Trier. Jeder Stadtteil, jeder Ort bekam seinen Karnevalsverein. Später gingen den Vereinen die Büttenredner aus. Die "Granaten" hörten auf, und Nachwuchs traute sich wegen der gestiegenen Anforderungen nicht mehr auf die Bühne. Der größte Konkurrent war das Fernsehen, auf allen Kanälen Sitzungen und im Sommer Comedians.
Karnevalsflüchtlinge, Grölen beim Après-Ski, Oktoberfest und Malle-Abend. Den Kappensitzungen alter Prägung ging das Publikum verloren. Heute gibt es nur noch wenige Vereine, die gute Büttenreden aufbieten können. Meines Erachtens sind die regelmäßig ausverkauften rosa Sitzungen nicht schuld am Niedergang der Vereine, denn dieses spezielle Publikum geht auch zu anderen Vereinen oder war nie bei anderen Vereinen.
Den in der Arbeitsgemeinschaft Trierer Karneval zusammengeschlossenen 17 Vereinen und denen im Umland bleibt nichts anderes übrig, als sich gesundzuschrumpfen und sich zusammenzuschließen, denn sonst geht ein wertvolles Kulturgut verloren. Hier denke ich besonders an die kostenintensive Jugendarbeit, die diese Karnevalsvereine leisten. Ich habe 2016 nach 51 Jahren mit den Funkensängern aufgehört, aber bei mir ist noch lange nicht Schluss mit lustig
Werner Bodschard
Schweich